Berlin. Auf zig Strecken herrschte am Wochenende wieder großes Gedränge: Noch einmal ergriffen viele Menschen die Gelegenheit, um günstig durch das Land zu reisen. Für 9 Euro im Monat bundesweit den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen – damit ist ab Donnerstag vorerst Schluss. Zwar bescheinigen sowohl die Bundesregierung als auch die Länder der Maßnahme aus dem Entlastungspaket großen Erfolg, auf eine Nachfolgelösung konnten sie sich dennoch nicht einigen. Die Länder fordern vom Bund, eine Nachfolgelösung zu präsentieren, der Bund sieht die Zuständigkeit bei den Ländern.
So wird der Billigfahrschein in dieser Woche zumindest vorerst auslaufen – zum Frust vieler Reisender. Am Wochenende gingen in mehreren Städten Befürworter des günstigen ÖPNV auf die Straße, um für eine Verlängerung zu demonstrieren. Ein positives Fazit zog auch die Deutsche Bahn: Allein über die Kanäle des Konzerns seien rund 26 Millionen der Sonderfahrten verkauft worden, teilte die neue Regionalverkehrsvorständin, Evelyn Palla, mit. „Jeder fünfte 9-Euro-Ticket-Nutzer hat die öffentlichen Verkehrsmittel neu für sich entdeckt.“ Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen belaufe sich die vorläufige Zahl der insgesamt verkauften Tickets auf 38 Millionen.
Es hakt an vielen Stellen
In Zeiten steigender Preise ermöglichte die Maßnahme günstige Mobilität. Für die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, ist daher klar: „Eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket muss schnell gefunden werden. Günstig, bundesweit einheitlich und unkompliziert – so soll das neue Ticket sein.“ So könnten Menschen trotz der hohen Inflation weiterhin klimafreundlich mobil bleiben, sagte Bentele unserer Redaktion. Zugleich mahnte sie mit Blick auf die oft überfüllten Züge Lösungen für mobilitätseingeschränkte Menschen an. „Das fängt mit mehr Stell- und Stehplätzen für Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen in den Zügen an.“ Nicht nur die überfüllten Züge waren ein Problem bei der Maßnahme, die sich der Bund für die drei Monate 2,5 Milliarden Euro kosten ließ. In manchen Gebieten profitierten die Menschen kaum davon, weil der ÖPNV schlecht ausgebaut ist. Bundesweit sind gerade einmal 39 Prozent der Deutschen mit der Bahn- und ÖPNV-Infrastruktur zufrieden. Das geht aus einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Während in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen die Zufriedenheit hoch ist, sind auf dem Land mehr als zwei Drittel aller Befragten unzufrieden mit dem ÖPNV. Der Wunsch nach Investitionen ist groß.
Grüne machen Druck
Die muss aber jemand finanzieren. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket aus Bundesmitteln entschieden ab. Er sprach in dem Zusammenhang von einer „Gratismentalität“. Die Grünen machen Druck und wollen das sogenannte Dienstwagenprivileg streichen, um Gelder lockerzumachen. Erste Bundesländer preschen derweil im Alleingang vor. Berlin will von Oktober bis Dezember ein eigenes Angebot schaffen und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stellte bereits ein Ticket für die norddeutschen Bundesländer in Aussicht.
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