Des Moines. Seit Wochen dreht sich bei der US-Wahl fast alles um die „Swing States“, jene Staaten, die nicht sicher den Demokraten oder Republikanern zugerechnet werden können. Kamala Harris und Donald Trump liefern sich dort ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Doch am Wochenende vor der Wahl sorgt vor allem eine Umfrage aus Iowa für Aufsehen.
Harris soll Trump in dem konservativen Bundesstaat still und heimlich überholt haben. So sieht es zumindest eine Befragung im Auftrag der Regionalzeitung „Des Moines Register“. 47 Prozent der 808 befragten Wählerinnen und Wähler gaben an, für Harris stimmen zu wollen - 44 Prozent würden ihre Stimme Trump geben. Im September hatte die Zeitung Trump noch mit vier Punkten vorne gesehen.
Mit nur sechs Wahlleuten im „Electoral College“ hat der Staat, der 2016 und 2020 jeweils an Trump ging, zwar ein relativ kleines Gewicht bei der Entscheidung ums Weiße Haus, doch die Demokraten hoffen auf einen Trend. Laut der Befragung punktet Harris vor allem bei Frauen, insbesondere älteren und unabhängigen Wählerinnen.
Trumps Team tat die Umfrage als „idiotisch“ ab und verwies auf eine andere Befragung, nach der der Republikaner zehn Prozentpunkte vorne liegt. Tatsächlich sieht auch die Webseite „FiveThirtyEight“, die verschiedene Umfragen auswertet, Trump in dem Bundesstaat weiterhin vorne.
In landesweiten Umfragen hatte zuletzt mal Trump, mal Harris die Nase vorn. Anders als in Deutschland stehen in den USA aber nicht nur einzelne Umfragen im Vordergrund. Die Umfragen fließen in komplizierte mathematische Modelle ein und werden unterschiedlich gewichtet, unter anderem nach Stichprobengröße und historischer Genauigkeit. Nach den Berechnungen der „New York Times“ führt Harris demnach noch mit 49 zu 48 Prozent. „FiveThirtyEight“ sieht die Demokratin bei 47,9 und ihren Herausforderer bei 46,9 Prozent.
In den USA wählt das „Electoral College“ den Präsidenten
Die „Popular Vote“, das Wahlergebnis der Gesamtbevölkerung, spielt aber nur eine untergeordnete Rolle. In den USA wählt das „Electoral College“ den Präsidenten. Es setzt sich zusammen aus den 538 Wahlleuten, die von den Bundesstaaten entsandt werden. Wer sich die Stimmen von mindestens 270 Wahlleuten sichert, gewinnt die Wahl. Alarmierend sind die Umfragen für die Demokraten dennoch. Nicht nur Joe Biden, auch Hillary Clinton bei ihrer Niederlage gegen Trump 2016 hatte die „Popular Vote“ deutlich gewonnen, mit mehreren Millionen Stimmen Vorsprung. Danach sieht es bei Harris aktuell nicht aus.
Der Experte Chris Jackson vom Marktforschungsunternehmen Ipsos sieht darin aber noch keine Hiobsbotschaft für die Demokraten, wie er gegenüber der Zeitung „The Hill“ erklärte. Harris schneide bei Minderheiten zwar schlechter ab als Biden, bei der weißen Bevölkerung jedoch besser. Das könnte dazu führen, dass der Vorsprung in demokratischen Hochburgen wie Kalifornien und New York zwar geringer ausfällt, Harris dafür aber in den Schlüsselstaaten besser abschneiden könnte. In diesen „Swing States“ ist das Rennen denkbar knapp. Nach Ansicht der meisten Experten kommt sie auf die erforderlichen 270 Wahlleute, wenn sie die „Blue Wall“, die blaue Wand, aufrechterhält. Dazu zählen Michigan (15 Wahlleute), Wisconsin (10) und Pennsylvania, mit 19 Wahlleuten der wichtigste Staat.
Die aktuellen Umfragen sehen einen leichten Vorteil für Trump. Laut den Befragungen von AtlasIntel führt der Republikaner in allen drei Staaten knapp, am deutlichsten in Pennsylvania mit zwei Prozentpunkten Vorsprung. Befragungen der „New York Times“ in Zusammenarbeit mit dem Siena College sehen einen Gleichstand in Pennsylvania, einen Drei-Punkte-Vorsprung für Harris in Wisconsin und einen knappen Vorteil für Trump in Michigan. Beim Durchschnitt der Umfragen sieht „FiveThirtyEight“ einen Gleichstand in Pennsylvania und einen hauchdünnen Vorsprung für Harris in Michigan und Wisonsin. Heißt: Alles ist möglich.
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Bei den südlichen Swing States im „Sun Belt“ - North Carolina (16 Wahlleute), Georgia (16), Arizona (11) und Nevada (6) - ist die Lage deutlicher. AtlasIntel sieht Trump bei den jüngsten Befragungen in allen Staaten deutlich vorne, in Arizona sogar mit sieben Prozentpunkten. Doch laut den Berechnungen ist Harris vor allem in Nevada (ein Prozentpunkt Rückstand) sowie North Carolina und Georgia (jeweils zwei Prozentpunkte Rückstand) weiterhin in Schlagdistanz.
Die Demokraten hoffen im Endspurt vor allem auf eine Gruppe: Puerto Ricaner. Bei einer Trump-Veranstaltung in New York war der Karibik-Staat von einem Komiker als „Müllinsel“ verunglimpft worden. Das hat viele Puerto Ricaner vergrätzt. Und von denen leben fast eine Million in den „Swing States“, fast eine halbe Million davon in Pennsylvania. Das Harris-Team schaltete direkt einen neuen Werbespot, der sich gezielt an die Latinos richtete. Ein „Witz“ könnte Trump am Ende die Wahl kosten.
Eine leise Hoffnung der Demokraten: Die engen Umfragen könnten für eine zusätzliche Mobilisierung sorgen. Biden führte vor der letzten Wahl in Wisconsin mit 7,6 Prozentpunkten Vorsprung und hätte dort fast noch verloren. Womöglich auch, weil sich seine Anhänger in falscher Sicherheit wähnten.
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