Partei

Unheimlicher Aufschwung der AfD

Die Partei gewinnt in Umfragen. Sie profitiert von den Krisen - weniger durch Kompetenz.

Von 
Christian Unger
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Demonstration der AfD in Berlin. Die Partei inszeniert sich als Gegner einer angeblichen „Elite“. © Fabian Sommer/picture alliance/dpa

Berlin. Die Parolen sind drastisch. „Kein Ort für kriminelle Migrantenclans“, so lautet das Motto der Demonstration im brandenburgischen Prenzlau am vergangenen Montag. „Schiebt sie ab!“, rufen die Menschen. Zuletzt hatte es laut Medienberichten in dem Ort vereinzelte Straftaten von mutmaßlich tschetschenischen Eingewanderten gegeben. Organisiert hat den Protest der Kreisverband der AfD. Sie will sich an die Spitze der Wut setzen.

Was selbst Sicherheitsbehörden an diesem Tag überrascht: Es kommen nicht nur ein paar Dutzend Teilnehmende, sondern mehrere Hundert Menschen. Im Messengerdienst Telegram feiert die rechte Szene die Demonstration als Erfolg. Und sie feiert noch etwas: die Umfragewerte der AfD. Die Forschungsinstitute sehen die Partei zwischen 14 und 16 Prozent. Bei der Bundestagswahl hatte die AfD noch gut zehn Prozent.

Und: In einer Umfrage von Anfang dieser Woche liegt die Partei vor den Grünen, die nach einem Höhenflug im Sommer verliert. AfD vor Grünen – es ist der Punkt, der eine Debatte ins Rollen bringt: über den unheimlichen Aufstieg der AfD.

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Als Anti-Verbotspartei inszeniert

Wer in der Partei nachfragt, bekommt solche Sätze zu hören: Die AfD werde belohnt für ihre „ehrliche Politik“. Dafür, dass sie die „Wahrheit“ ausspreche. Auf einer Unterstützer-Seite bei Telegram heißt es: „Linke zerlegt sich, Grüne rutschen ab – ein anti-bürgerlicher Traum endet“. Verantwortlich für den Verlust in der Wählergunst bei den Grünen seien die „Klimapolitik“, das „Verbot von Verbrenner-Autos“ und von „Öl- und Gasheizungen“.

Die AfD will Anti-Verbotspartei sein. Sie inszeniert sich als Gegner einer angeblichen „Elite“. Es ist das Motto, mit dem die Partei gewachsen ist. Mit dem sie sich seit Jahren radikalisiert. Weite Teile der AfD gelten als extrem rechts. Immer wieder fallen Politiker mit rassistischen Sprüchen und Hetze auf. Doch noch vor gut einem Jahr machten Fachleute eine „Radikalisierungsfalle“ aus, in der die AfD steckt. Sie kam selten über zehn Prozent, kassierte Niederlagen bei Landtagswahlen. Die Führung wirkte auf dem Bundesparteitag zerstritten, inhaltlich ohne Kurs.

Vor allem: extrem. Langfristig aber scheint die Radikalisierung nicht zu schaden, wie der aktuelle Trend zeigt. Jedenfalls nicht bei der Klientel. „Die Partei bindet noch keine neuen Milieus, aber sie ruft ihr Potenzial besser ab“, sagt der Extremismusforscher Matthias Quent dieser Redaktion.

Im Osten stark

Der typische AfD-Wähler ist männlich, mittelalt und lebt eher auf dem Land, dort, wo viele Menschen abwandern. In Städten und bei Jüngeren und Älteren punktet die Partei nicht so stark. Der Soziologe Elmar Brähler, der auch zu Ostdeutschland forscht, sieht das Potenzial der AfD sogar bei 20 bis 25 Prozent aller Wählerstimmen. „Das erreicht sie aber nie.“ Vor allem eines wird deutlich: Die AfD holt ihre Stärke im Osten. Dort liegt sie oft deutlich über 20 Prozent, im Westen selten über zehn. Doch das ist brisant: 2024 sind Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.

Ein ostdeutsches Superwahljahr könnte der AfD eine neue Macht in Deutschland bringen. In den Sicherheitsbehörden ist manch einer besorgt, dass der Aufschwung der Partei bis ins nächste Jahr hält – weil auch die „multiplen Krisen“ bleiben: Krieg in der Ukraine, Energieengpässe, steigende Preise und steigende Asylbewerberzahlen. Denn es sind diese anhaltenden, dauerhaften Konflikte, von denen die Partei profitiert. „All das weckt Ängste bei den Menschen. Diese Ängste nutzt die AfD aus“, so Sozialwissenschaftler Brähler.

Hauptfeind: die Grünen

Eine These, die auch AfD-Politikerinnen und Politiker teilen. Die Partei will ein Auffangbecken für Verunsicherte und Wütende sein. Eine „Anti-Establishment-Partei“. Mit einem Hauptfeind: die Grünen – die eben dort am schlechtesten abschneiden, wo die AfD stark ist: im Osten.

Zugleich baut die AfD-Spitze ein Image des „Underdogs“ und „Ausgegrenzten“ auf. Wer mit Politikerinnen und Politikern der Partei spricht, hört oft Kritik an „Mainstrem-Medien“, die „Kampagnen“ gegen die AfD fahren würden. Zugleich will sich die Partei stark in Szene setzen, Akteure werben etwa mit Boxhandschuhen auf Plakaten, präsentieren die AfD als die Partei, die „Frauen“ und „Kinder“ schütze. Die nicht mehr nur vor einem „Bevölkerungsaustausch“ durch Zuwanderung warnt, sondern diesen als Realität präsentiert. Und so findet sich in der Rhetorik immer wieder ein Fluchtpunkt: die Migrationspolitik, in der die AfD immer wieder gegen den „Islam“ und „Multikulturalismus“ wettert.

Umfragen zeigen, dass die Menschen nicht die besten Lösungen für brennende politische Fragen bei der AfD suchen. „Es sind nicht inhaltliche Vorschläge der Partei, die ihr Zulauf bringen. Sondern das gesellschaftliche Umfeld, die öffentliche Stimmung und die Weltlage, aus der die AfD als Dagegen-Partei Kapital schlägt“, so Experte Quent. Und die Weltlage ist instabil wie lange nicht – schon seit Jahren.

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