Einwanderung - Proteste nach umstrittener Entscheidung des US-Präsidenten / Obama: "grausam"

Trump lässt Träume der Migranten-Kinder platzen

Von 
Thomas Spang
Lesedauer: 

Menschen protestieren gegen die "Dreamer"-Entscheidung von Donald Trump. "Ihr Traum ist jetzt ein Alptraum", steht auf dem Plakat eines Demonstranten in San Francisco.

© dpa

Washington. Angelica Hernandez lebte den amerikanischen Traum. Sie kam als Neunjährige mit ihren Eltern aus Mexiko über die grüne Grenze, lernte Englisch und gehörte in ihrer Highschool zu den Besten. Ihre Leistungen ebneten ihr den Weg zum College und einem Master-Abschluss an der Elite-Universität Stanford. Heute arbeitet sie als Ingenieurin in Chandler, Arizona. Am Dienstagmorgen kurz nach 11 Uhr brachte Justizminister Jeff Sessions Angelicas Traum zum Platzen. Und mit ihm den von bis zu 1,7 Millionen Kindern von Einwanderern, die ohne Papiere ins Land kamen - die sogenannten Dreamer.

Mit einem Lächeln auf den Lippen trug Sessions vor, was sich Donald Trump selber nicht zu sagen traute. Das von Präsident Barack Obama 2012 per Exekutiv-Befehl erlassene Schutzprogramm für die "Dreamer" werde beendet. Es sei "nicht mit der Verfassung zu vereinbaren" und komme einer Amnestie für "illegale Fremde" gleich. "Wir können nicht jeden reinlassen, der hierhin kommen möchte", erklärt Sessions zum Ende von DACA. "So einfach ist das." So hat es auch Trump im Wahlkampf immer wieder gesagt, als er versprach, das Programm am ersten Tag im Weißen Haus zu beenden.

Kongress unter Druck

Nach seiner Wahl erweckte der Präsident den Eindruck, als habe er sich die Sache anders überlegt. Trump versprach, "Herz" zu zeigen und sagte, die "Dreamer" hätten nichts zu befürchten. "Ich liebe diese Kids", verkündete Trump. "Wir werden etwas finden, das viele Leute glücklich und stolz macht." Tatsächlich macht die sechsmonatige Galgenfrist für das Ende von DACA nach Ansicht von Analysten niemanden glücklich. Sie setzt den Kongress unter Druck, etwas zu tun, woran er in mehreren Anläufen unter wechselnden Mehrheiten in den vergangenen 16 Jahren gescheitert war.

Demonstrationen in vielen Städten

"Die schaffen nicht einmal, etwas zu beschließen, worüber sie im Grundsatz einig sind", meint Alex Nowrasteh vom Cato Institute zu den Aussichten auf einen Kompromiss angesichts der tiefen Spaltung der republikanischen Mehrheit bei dem Thema Einwanderung. Zumal die harte Linie Trumps gegen die "Dreamer" an der konservativen Basis große Zustimmung findet. Während fast sieben von zehn Amerikanern einen sicheren Status für die Kinder nicht dokumentierter Einwanderer unterstützen, drohen die Parteifundis ihren moderaten Kollegen mit Krieg. "Eine Amnestie wäre Selbstmord für die Republikaner", warnt der Abgeordnete Steve King aus Iowa.

Ob Speaker Paul Ryan und Senatsführer Mitch McConnell am Ende riskieren, einen Aufschub des DACA-Endes ("Bridge-Act") oder ein dauerhaftes Bleiberecht mit Weg zur Staatsbürgerschaft ("Dream Act") ohne eigene Mehrheiten in der Fraktion zur Abstimmung zu stellen, steht in den Sternen. Der Druck von außen, es zu versuchen, ist enorm. Von New York über Washington und Denver bis Los Angeles gingen in allen großen Städten Zehntausende auf die Straßen, um für den Schutz der "Dreamer" zu demonstrieren. Einwanderungs-Gruppen, Bürgerrechtler und Kirchen nannten die Entscheidung "unmenschlich" und verlangten eine Korrektur.

Präsident Barack Obama meldete sich via Facebook und nannte die Entscheidung Trumps "grausam" und "falsch". "Die heutige Entscheidung ist rechtlich nicht notwendig", erklärte Obama weiter. "Es ist eine politische Entscheidung und eine moralische Frage." Auch mehr als 400 Firmenchefs - von Apples Tim Cook über General Motors Mary Bart bis hin zu Tim Sloan von Wells Fargo - fordern den Kongress zum Handeln auf. Auf dem Spiel stünden 460 Milliarden Dollar, die von den "Dreamern" erwirtschaftet werden, heißt es in einem Brief.

Bundesstaaten klagen vor Gericht

Das Heimatschutzministerium zeigt sich unbeeindruckt. In einem Memorandum erteilt es den 800 000 "Dreamern", die sich mit Fingerabdrücken und Adresse für das Programm registriert haben, einen unmissverständlichen Rat. "Bereiten sie sich auf die Abreise vor." Angelica Hernandez und ihr Mann, der ebenfalls ein DACA-Begünstigter ist, wüssten nicht einmal, wohin sie ausreisen sollten. Sie haben keine andere Heimat als die USA.

Mehrere Bundesstaaten gehen nun gerichtlich gegen die Entscheidung vor. 15 Staaten und die Hauptstadt Washington reichten Klage bei einem Gericht in New York ein, wie der Generalstaatsanwalt von New York, Eric Schneiderman, erklärte. Trumps Entscheidung sei unbarmherzig und kurzsichtig, sagte er.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen