Washington. 14.15 Uhr. In der 15. Etage des klobigen Gebäudes mit der Hausnummer 100 Centre Street in Manhattan/New York schreibt Donald Trump am Dienstag Geschichte. Vor Richter Juan Merchan wird dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika die bis dahin versiegelte Anklageschrift verlesen – nicht nur im spezifischen Fall von Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, die mutmaßlich illegal abgerechnet und zu Wahlkampfzwecken genutzt wurden.
Insgesamt über 30 Straftatbestände sollen nach US-Medien in dem Dokument enthalten sein, mit dem Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg eine Geschworenenjury überzeugt hatte, zu tun, was in über 230 Jahren US-Geschichte noch nie passiert ist: Ein Ex-Präsident wird strafrechtlich vor den Kadi gezerrt. Kurz vor seiner Wahl zum Präsidenten 2016 ließ Trump Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels zahlen. Diese hatte behauptet, sie habe Sex mit ihm gehabt. Trump bestreitet eine Affäre, nicht aber, dass Geld geflossen ist. Die Zahlung könnte dabei im Konflikt mit Regeln zur Wahlkampffinanzierung stehen. Trumps Anwalt Joe Tacopina wies die Vorwürfe am Wochenende einmal mehr zurück. „Es handelte sich um eine persönliche Ausgabe, nicht um eine Wahlkampfausgabe“, sagte Tacopina am Sonntag dem Fernsehsender CNN. Es gebe auch keinerlei Beweise über eine angebliche Fälschung von Geschäftsunterlagen.
Wie der Tag ausgeht, weiß man schon – durch Trump. Nach dem Haftprüfungstermin, dem wie bei jedem Angeklagten erkennungsdienstliche Rituale – also das Nehmen von Fingerabdrücken und die sogenannten Mug-Shots – vorausgehen, will der bereits am Montag in New York angereiste Trump nach eigenen Angaben um 20.15 Uhr vor geladenen Gästen in seinem Florida-Domizil Mar-a-Lago eine kämpferische Rede halten. Gegen den „tiefen Staat“ und eine „korrupte Justiz“, die ihm, dem favorisierten Präsidentschaftskandidaten für 2024, „politisch nach dem Leben trachten“, wie Eingeweihte wissen wollen.
Bis es so weit ist, stehen der Metropole am Hudson River einige turbulente Stunden ins Haus. Ginge es nach Staatsanwalt Bragg, würde die Vorführung des Angeklagten geräuschlos durch einen Hintereingang ohne Blitzlichtgewitter und ohne die bei diesen Terminen in der Regel kurzzeitig benutzten Handschellen über die Bühne gehen. Ähnlich sollen sich auch Trumps Anwälte geäußert haben.
Polizei in Alarmbereitschaft
Ob sich Trump dem angeratenen Verzicht auf publikumswirksame und schnell monetarisierbare Bilder fügen wird, steht noch dahin. Die Vorstellung, auf dem Weg zum Gericht an Hunderten Reportern, Fotografen und Schaulustigen entlangzudefilieren, soll dem 76-Jährigen durchaus behagen. Vor dem Richter, dem Trump nachsagt, ihn zu „hassen“, werden die Anwälte Trumps voraussichtlich auf unschuldig plädieren.
Bis zu einem Gerichtstermin kann es aufgrund besonderer Umstände in New York nach Angaben von Rechtsgelehrten der Columbia-Universität „leicht ein Jahr oder noch länger dauern“. Weil Trump vor „Tod und Zerstörung“ für den Fall einer Anklage gewarnt hat und weil diverse Gruppen zu Demonstrationen in New York aufgerufen haben, scannen die Behörden soziale Medien nach Auffälligkeiten.
Hohes Spendenaufkommen
Außerdem sind zum Prozessauftakt am Dienstag alle 35 000 streifendiensttauglichen Cops der New Yorker Polizei zum Bereitschaftsdienst eingeteilt worden. Rund um den Schauplatz des Gerichtsgebäudes wie auch rund um Trumps Hochhaus an der 5th Avenue stehen Absperrgitter. Etliche Straßen sind blockiert.
Unterdessen macht Trump, der dem historischen Tag nach Angaben von Vertrauten mit einer Mischung aus „Angespanntheit und Siegeszuversicht“ entgegenblickt, mit seinen juristischen Verwicklungen weiter Kasse. Das Spendenaufkommen aus der Bevölkerung beläuft sich auf über fünf Millionen Dollar. Auch die Aktien einer Firma, die Trumps Kommunikationsplattform Truth Social börsentauglich trimmen soll, sind massiv gestiegen. (mit dpa)
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