Neue US-Regierung

Straffreiheit für Kapitolstürmer

Der Präsident begnadigt rund 1600 seiner an dem gewalttätigen Sturm aufs Kapitol beteiligten Anhänger. Die Opferfamilien reagieren entsetzt

Von 
Dirk Hautkapp
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Anhänger Trumps stürmten am 6. Januar 2021 das Kapitolgebäude, wo die Abgeordneten Bidens Wahlsieg bestätigen sollten. © Essdras M. Suarez/Zuma Press/dpa

Washington. „Donald Trump und seine Anhänger feiern nicht nur den tödlichen Mob, der meinen Bruder getötet hat – sie sind auch entschlossen, die Verantwortlichen zu begnadigen. Es ist ein Verrat nicht nur an den Familien und Angehörigen der Verletzten und Getöteten, sondern an allen Amerikanern.“ Mit diesen Worten reagierte Craig Picknick am Montagabend auf die Entscheidung von Donald Trump, rund 1600 Angeklagte oder bereits Verurteilte, die am 6. Januar 2021 an dem von ihm selbst inspirierten Sturm aufs Kapitol beteiligt waren, zu begnadigen. Craigs Bruder Brian D. Sicknick, Mitglied der Kapitolspolizei, wurde von Aufständischen mit Pfefferspray besprüht und starb an zwei Schlaganfällen, die teilweise auf den Angriff zurückzuführen waren.

Von Trumps Beschluss, der von einigen Republikanern kritisiert wurde, profitieren auch Gewalttäter wie Devlyn Thompson, der einen Polizisten mit einem eisernen Schlagstock traktiert hatte, oder Robert Palmer, der einen anderen Beamten mit einem Feuerlöscher und einem Holzbrett verletzte.

Trumps Erlass bezieht sich auf alle Personen, die „wegen Straftaten im Zusammenhang mit den Ereignissen am oder in der Nähe des Kapitols der Vereinigten Staaten am 6. Januar 2021 verurteilt wurden“. Sie erhalten eine „vollständige und bedingungslose Begnadigung“. Ausgenommen sind neun Mitglieder der rechtsextremistischen „Oath Keepers“ und fünf Mitglieder der „Proud Boys“, deren Strafen umgewandelt wurden. Enrique Tarrio hingegen, der Anführer der Proud Boys, der wegen aufrührerischer Verschwörung zu 22 Jahren Haft verurteilt worden war, kam umgehend frei.

Von Ordnungswidrigkeiten bis hin zu aufrührerischer Verschwörung

Mit seinem Alleingang bewegt sich Trump auf Kollisionskurs mit seinem Vizepräsidenten. J.D. Vance hatte Begnadigungen für diejenigen ausgeschlossen, die Polizisten oder andere Personen angegriffen hatten. „Wenn Sie an diesem Tag Gewalt angewendet haben, sollten Sie natürlich nicht begnadigt werden“, sagte Vance. Die beispiellose Anordnung Trumps bedeutet, dass alle vom Justizministerium verfolgten Personen, von den wegen aufrührerischer Verschwörung inhaftierten Tätern und wegen Körperverletzung von Polizeibeamten Verurteilten bis hin zu jenen, die am 6. Januar 2021 lediglich Hausfriedensbruch begangen hatten, aus der Haft entlassen werden. Trump wies seinen Justizminister an, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die „derzeit im Gefängnis sitzen, sofort freigelassen werden“. Die Ersten sollten noch in der Nacht zu Dienstag auf freien Fuß kommen.

Insgesamt wurden rund 1600 Personen angeklagt und knapp 1300 verurteilt, wobei die Anklagepunkte von Ordnungswidrigkeiten bis hin zu aufrührerischer Verschwörung reichten. Mehr als 700 der Verurteilten haben keine Gefängnisstrafe erhalten oder ihre Strafe bereits verbüßt. 400 sind noch inhaftiert und verbüßen ihre Strafe.

Über 140 Polizeibeamte wurden bei dem Sturmlauf aufs Kapitol teils schwer verletzt. Die Angreifer trugen Schusswaffen, chemische Sprays, Elektroschocker, Äxte, Baseballschläger, ein Schwert und einen Hockeyschläger bei sich. Eine Randaliererin wurde von der Polizei im Kapitol erschossen. Drei Menschen starben an den Folgen von medizinischen Notfällen, die während des Aufstands auftraten. Vier Polizisten begingen später Selbstmord.

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