Washington. Das Online-Portal Wikileaks behauptet, "die gesamten Hacking-Kapazitäten der CIA" seien enttarnt. Am Dienstag veröffentlichte die Enthüllungsplattform in einem ersten Schritt tausende Dokumente, die angeblich vom US-Geheimdienst Central Intelligence Agency (CIA) stammen. Unter anderem sollen sie belegen, dass die Spione in Smartphones eindringen, Verschlüsselungen umgehen und Haushaltselektronik zur Überwachung nutzen können. Das US-Generalkonsulat in Frankfurt dient demnach als Elite-Labor für Schadsoftware und Cyberattacken.
"Die CIA hat unlängst die Kontrolle über die Mehrheit ihres Hacking-Arsenals verloren", teilte Wikileaks in einer Stellungnahme mit. Sogenannte Malware, Trojaner, Viren und Schwachstellen in beliebten Konsumgütern zirkulierten unautorisiert unter ehemaligen Hackern und Auftragnehmern der US-Regierung, samt der dazugehörigen Dokumentation.
16 000 Seiten soll dieses Handbuch haben, das der Enthüllungsplattform in Teilen zugespielt worden sei, um eine Debatte anzustoßen. Eigenen Angaben zufolge hat Wikileaks das Material so überarbeitet, dass die Methoden nicht repliziert werden können. Die Aktivisten schlossen aber Hilfe bei der Entschärfung der Codes nicht aus.
Die CIA reagierte schmallippig: "Wir geben keine Stellungnahmen zu Authentizität oder Inhalt angeblicher Geheimdienstdokumente ab", teilte der Dienst mit. US-Medien zitierten aber ehemalige Agenten, die die rund 9000 Dokumente und Dateien für echt halten.
Wenn sie echt sind, belegen sie einen großangelegten Versuch, nicht nur Mac-, Windows-, Solaris- oder Linux-Computersysteme zu infiltrieren, sondern auch sonstige Elektronik in Spionagewerkzeuge zu verwandeln. Die beschriebenen Methoden zielen darauf ab, iPhones oder Android-Smartphones zu entern und verschlüsselte Gespräche oder Textnachrichten noch vor der Sicherung abzugreifen.
Ohne Wissen der Eigentümer
Die Spione forschten an Methoden, die Telefone, Tablets und so genannte Smart-TVs ohne Wissen des Eigners einschalten oder in Betrieb lassen. Kameras und Mikrofone sollen zur Überwachung genutzt werden, während etwa manipulierte LEDs dem Besitzer den Off-Modus vorgaukeln. Die CIA soll auch untersucht haben, inwiefern sich Steuerungssysteme für Autos infiltrieren lassen, was Wikileaks zufolge für "nahezu unentdeckbare Morde" genutzt werden könnte.
Die Hackergemeinschaft der CIA umfasste laut dem Enthüllungsportal bis Ende 2016 mehr als 5000 Individuen; sie ist Teil des "Center for Cyber Intelligence" in Langley im US-Bundesstaat Virginia. Eine Außenstelle im hoch gesicherten US-Generalkonsulat in Frankfurt soll eine bedeutende Rolle bei der Viren-Zucht einnehmen: Eine Einheit entwickelt dort angeblich Schadsoftware für besonders heikle Missionen in Europa, dem Nahen Osten und Afrika.
Ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter bestätigte dem Sender ABC, dass das weltweit größte US-Konsulat ein Knotenpunkt verdeckter Operationen rund um den Globus sei. Vermutlich habe auch die Lauschaktion gegen das persönliche Telefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel hier ihren Ursprung gehabt, die Snowden 2013 enthüllte.
Es ist noch unklar, welche Methoden nur erforscht wurden und welche zum Einsatz gekommen sind. Die aktuellsten Einträge stammen aus dem vergangenen Jahr.
"Bei Smart-TVs sitzen wir nicht allein vor dem Fernseher"
- "Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden ist es nicht überraschend, dass amerikanische Geheimdienste uns ausspionieren", sagt Stefan Brink, Landesbeauftragter für Datenschutz in Baden-Württemberg, über die Veröffentlichungen der Enthüllungsplattform Wikileaks. Aus diesen geht hervor, dass der amerikanische Geheimdienst CIA Laptops, Smartphones, aber auch vernetzte Haushaltsgeräte wie internetfähige Fernseher, die sogenannten Smart TVs, in Deutschland ausspioniert haben könnte.
- Wer jedoch glaubt, davon seien nur Einzelne betroffen, irrt, meint der Datenschützer. "Es gibt viele Kontexte, in denen die Daten von jedem interessant seien könnten", sagt Brink. Ein Beispiel dafür sei die Einreise in die USA, die aufgrund der gesammelten Daten verweigert werden könnte, so der Landesbeauftragte. Er mahnt zu mehr Bewusstsein im Umgang mit persönlichen Daten. "Das kann zum Beispiel bedeuten, die Einstellungen zur Privatsphäre bei Facebook zu ändern oder bei einem Smart TV die Sprachsteuerung auszustellen." Eines sei klar, so Brink: "Bei Smart TVs sitzen wir nicht allein vor dem Fernseher."
- Ähnlich schätzt sein rheinland-pfälzischer Amtskollege Dieter Kugelmann die Situation ein. "Einzelne Aspekte überraschen, dass aber generell überwacht wird, nicht", sagt er. Rechtlich werde die Situation dadurch erschwert, dass die Spionage zwar in Deutschland, aber im Konsulat auf amerikanischem Boden passiere. "Die Bundesregierung muss nun mit diplomatischen Mitteln herausfinden, was in Frankfurt geschieht, wobei auch unklar ist, ob es eine Zusammenarbeit mit deutschen Geheimdiensten gibt", sagt Kugelmann.
- Der hessische Regierungssprecher Michael Bußer gibt an, selbst erst aus der Zeitung von der Spionage erfahren zu haben. "Wir haben einen Brief an das Generalkonsulat geschickt mit der Bitte um Aufklärung. Mehr kann die Landesregierung nicht machen", sagt Bußer. Der hessische Datenschutzbeauftragte wollte gestern keine Stellungnahme zu den Enthüllungen abgeben. (jwd)
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