Rhein-Neckar. Till Mansmann (FDP), Bergstraße: „Der Streit um die Einwanderungspolitik wird aus Sicht der Freien Demokraten erst zu Ende sein, wenn der Bundestag, wie von uns seit vielen Jahren vorgeschlagen, ein ordentliches Einwanderungsrecht beschlossen hat und die Exekutive das Recht wieder gesetzeskonform durchsetzt. Bis dahin ist der Kompromiss der Unionsparteien erstmal nur ein weiterer Schritt in die dringend überfälligen Diskussionen, denen sie sich jahrzehntelang vorher verweigert haben, weil sie nicht anerkennen wollten, dass Deutschland faktisch ein Einwanderungsland ist. Von dieser Seite haben wir nun aber durchaus eine passable Gesprächsgrundlage. Auf dem Weg nach Jamaika müssen nun auch die Grünen mit ihren politischen Lebenslügen aufräumen und akzeptieren, dass es kein generelles Recht auf Einwanderung nach Deutschland gibt und Wirtschaftsmigration begrenzt werden muss.“
Gerhard Schick (Grüne), Mannheim: „Dieser Kompromiss hält höchstens bis zum Beginn der Sondierungen. Klar ist: CDU und CSU betreiben Paartherapie, statt ihrer Verantwortung nachzukommen und die Sondierungen mit FDP und Grünen zu beginnen. Das Grundgesetz kennt beim Asylrecht keine Obergrenze. Wir stellen uns gegen das ideologische Zahlenspiel der Union, das Flüchtlingsgruppen gegeneinander ausspielt, um Seehofer in Bayern im Sattel zu halten. Das Sondierungsergebnis von CDU und CSU macht die Sondierungen nicht einfacher. Aber immerhin weiß man jetzt mal, woran man bei der Union ist.“
Michael Meister (CDU), Bergstraße: „CDU und CSU haben sich am Sonntag auf ein vernünftiges, stimmiges Regelwerk zur Migration geeinigt. Beide Parteien werden mit dieser Einigung gut leben können. Auch ich persönlich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Die Union hat sich klar positioniert. Das Ergebnis ist in meinen Augen eine gute Basis für die anstehenden Gespräche mit der FDP und den Grünen.“
Gökay Akbulut (Linke), Mannheim: „Der Streit ist meiner Meinung nach nicht beigelegt. Durch die Festlegung einer Obergrenze oder einem Richtwert ist die Frage nicht gelöst. Asyl-Obergrenzen sind weder mit deutschem Verfassungsrecht, noch mit EU-Recht oder internationalen Rechtsgrundsätzen vereinbar. Die CDU und CSU versuchen mit dieser Regelung lediglich der AfD das Wasser abzugraben. Ich kann mit dem Ergebnis nicht leben. Was soll dann mit dem 200 001 Geflüchteten geschehen? Das Aslyrecht wird weiterhin ausgehebelt. Wir wollen die Ursachen von Flucht und Vertreibung bekämpfen, anstatt Flüchtende zu bekämpfen und deren Fluchtwege zu blockieren. Im Zentrum steht: das Recht, »nicht migrieren zu müssen«. Fluchtursachen sind vielfältig. Fast immer hängen sie mit der weltweiten Ungleichheit zwischen Arm und Reich zusammen. Diese Ungleichheit wächst durch Ausbeutung in unfairen Handelsbeziehungen, das Erstarken der großen Agrarkonzerne, rücksichtslos agierende transnationale Konzerne und den durch die Industrieländer in erster Linie zu verantwortenden Klimawandel. Wir kämpfen für eine solidarische gerechte Weltwirtschaftsordnung, gegen Krieg und Rüstungsexporte, gegen Landraub, für faire Produktionsverhältnisse, für Demokratie und Menschenrechte, weltweit. Geflüchtete sollen das Recht auf soziale, kulturelle und demokratische Teilhabe in unserem Land haben. Sowohl die FDP als auch die Grünen lehnen eine Obergrenze ab, daher wird es schwierige Verhandlungen geben.“
Olav Gutting (CDU), Bruchsal/Schwetzingen: „Für mich ist das ein Streit um Kaisers Bart. Wir waren und sind uns einig, dass illegale Migration unterbunden werden muss und legale Migration nur gesteuert und begrenzt erfolgen kann. Die gemeinsame Politik der letzten zwei Jahre hatte auch genau diese Zielrichtung. Eine Koalition – mit wem auch immer – kann mit der CDU/CSU auch nur bei Fortführung dieses Kurses zustande kommen.“
Doris Barnett (SPD), Ludwigshafen/Frankenthal: „Der Streit ist nicht beigelegt, weil nicht klar ist, was passiert, wenn mehr als 200 000 Menschen vor der Tür stehen, selbst wenn sie kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht haben, wie z.B. die Kriegsflüchtlinge. Nur oberflächlich sind sich derzeit die Schwesterparteien einig - wie Gelb/Grün im Detail das sehen, ist noch gar nicht klar, dazu brauchen sie erst mal den Text. Auch fehlt mir eine klare Aussage zu einem Einwanderungsgesetz. Ich kann mit diesem Ergebnis nicht leben, weil auf dem Rücken von Hilfe suchenden Menschen über Wortklauberei politische Machtkämpfe ausgetragen werden. Das Ergebnis von Sonntag ist ja noch lange nicht in trockenen Tüchern. Es wird ein latentes Streitthema bleiben. Wir werden sehen, wie stabil hier die gefundene „Vereinbarung“ ist, wenn in der EU über Umverteilung beraten wird.“
Jens Brandenburg (FDP), Rhein-Neckar: „Die Einigung der Unionsparteien ist ein Formelkompromiss, der viel zu spät gefunden wurde. Ob das Papier auf Dauer und im Detail Bestand hat, wird sich noch zeigen. Schön, dass die Union nun endlich eine Position in der Flüchtlingspolitik gefunden hat. Der Kompromiss ist vage genug, um ihn später mit vernünftigen Inhalten füllen zu können. Es ist gut, dass sich die Union endlich einem Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz öffnet. Jetzt kommt es auf die Details an. Die Wunschliste der Union ist noch lange kein Verhandlungsergebnis für Jamaika. Nach der internen Selbstfindung der Union können nun die ersten Sondierungsgespräche beginnen.“
Johannes Steiniger (CDU), Neustadt/Speyer: „Aus meiner Sicht ist der Streit mit der Einigung vom Tisch. Die geplanten Regelungen basieren auf dem Regierungsprogramm und gemeinsamen Beschlüssen von CDU und CSU und sind daher kein Schnellschuss. Die verschiedenen Punkte sind dabei für beide Seiten eine gute Lösung und ein Zeichen der Geschlossenheit. Das Ergebnis entspricht sowohl meinen Erwartungen als auch dem, was ich an vielen Haustüren im Wahlkampf gehört habe. Wir brauchen eine klare Regelung für die Steuerung von Migration. Es freut mich, dass auch die Punkte mit aufgenommen wurden, auf die ich bei der Aussprache mit der Bundeskanzlerin beim Deutschlandtag der Jungen Union am Wochenende hingewiesen habe. Wir müssen uns erneut darum bemühen, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären und wir müssen unsere Rückführungsanstrengungen noch weiter verstärken. CDU und CSU gehen gestärkt aus den Gesprächen. Mit der Einigung hat man jetzt eine gemeinsame Position auch in Flüchtlingsfragen und kann mit starker Stimme sprechen. Es war richtig, sich zunächst intern zusammenzusetzen, um eine klare Verhandlungsposition für eine Sondierung mit FDP und Grünen zu haben. Eine Zielsetzung bei 200 000 Aufnahmen pro Jahr, die bei humanitären Notlagen durch Legitimation des Bundestages angepasst werden kann, halte ich dabei für eine gute Gesprächsgrundlage.“
Stephan Harbarth (CDU), Rhein-Neckar: „Zwischen CDU und CSU ist ein sehr guter Kompromiss gefunden worden. Wir gehen geschlossen in die Verhandlungen. Ob ,Richtwert’ oder ,Obergrenze’: Entscheidend war in meinen Augen immer, dass wir die humanitäre Zuwanderung auf ein Maß beschränken, das unsere Integrationsfähigkeit nicht überfordert. CDU und CSU haben nun gemeinsam einen weiteren Maßnahmenkatalog vorgelegt, der in sich schlüssig ist. Insbesondere die weitere Aussetzung des Familiennachzugs und die Einrichtung von Asylzentren, die eine Verteilung von Asylsuchenden auf die Kommunen verhindern, sind wichtige Schritte. Die beiden Vorsitzenden der Grünen, Peter und Özdemir, haben den Kompromiss gegensätzlich oder zumindest sehr unterschiedlich kommentiert. Ich kann nur abwarten, ob sich dort eine Flüchtlingspolitik von Maß und Mitte durchsetzt.“
Danyal Bayaz (Grüne), Bruchsal/Schwetzingen: „Es wäre gut gewesen, wenn CDU und CSU ihren Selbstfindungsprozess schon vor der Bundestagswahl gestartet hätten, dann hätten die Wähler über diesen Formelkompromiss auch mit abstimmen können. Jetzt wird deutlich, dass die Einheit der Schwesterparteien im Wahlkampf inszeniert war. Am Ende ist aber für die Menschen nicht wichtig, ob der Streit von CDU und CSU beigelegt wurde, sondern, ob wir uns in einer möglichen Konstellation von Union, FDP und Grünen verständigen können, um eine Regierung zu bilden. Diesen Prozess hat die Union mit ihrem Streit in die Länge gezogen. Dieses Ergebnis ist ja kein Gesetz, sondern ein Kompromiss von CDU und CSU, der viele Fragen offen lässt. Das zeigt auch die Wortkreation „atmender Deckel“ mit Blick auf die Obergrenze. Dieser Deckel wird offenbar von CDU und CSU nun unterschiedlich interpretiert. Für mich persönlich gilt, dass weder das Recht auf Asyl noch die Genfer Flüchtlingskonventionen qualitativ oder zahlenmäßig eingeschränkt werden dürfen. Immerhin haben die beiden Unionsparteien jetzt einen ersten Schritt getan, verhandlungsfähig zu werden, denn Deutschland braucht baldmöglichst eine stabile Regierung. Wir Grüne stehen für eine humanitäre Flüchtlingspolitik. Im Wahlkampf haben wir auch für einen Familiennachzug und legale Fluchtwege gekämpft und das werden wir jetzt in den anstehenden Sondierungsgesprächen für eine mögliche Jamaica-Koalition auch deutlich machen. Ich sehe da durchaus Chancen auf Anschlussfähigkeit, aber wir werden unsere Punkte nicht wegen einer willkürlich gegriffenen Zahl der CSU aufgeben oder gegen das Grundrecht auf Asyl ausspielen lassen.“
Lothar Binding (SPD), Heidelberg: „Es ist ein typischer Merkel-Kompromiss. Der „Atomkompromiss“ hat bis Fukushima gehalten. Der Kompromiss: „Regulierungspause am Finanzplatz“ hat bis zur Explosion von Lehman Brothers gehalten, der Kompromiss: „Deutschland geht in Geiselhaft von Erdogan“ hält bis es Erdogan nicht mehr gefällt. Der aktuelle Kompromiss „Migration/Obergrenze“ hält, bis es Seehofer/Söder nicht mehr gefällt. Das hört sich ja fast wie ein Einwanderungsgesetz an. Allerdings ist der Vorschlag vergiftet, denn wenn die „…Gesamtzahl der Aufnahmen aus humanitären Gründen die Zahl von 200 000 Menschen im Jahr nicht…“ übersteigen darf – wie soll dann das Recht auf Asyl verfassungsfest gewährleistet werden? Der von einer Kanzlerin ausgehandelte Vorschlag ist also offensichtlich verfassungswidrig. Denn auch der 200 001 Mensch, der vor Krieg und Verfolgung flieht, hat das Recht auf Asyl – und heißt es nicht „ aus humanitären Gründen“? Mit dem Kompromiss wird die Biegsamkeit von FDP und den Grünen getestet und was sie unter Humanität verstehen.“
Lars Castellucci (SPD), Rhein-Neckar: „Frau Merkel und Herr Seehofer geben vor, sich geeinigt zu haben, damit sie für den nächsten, vorprogrammierten Streit dann Grüne und FDP verantwortlich machen können. 67 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Wir müssen nach unseren Kräften helfen und dafür sorgen, dass weniger Menschen fliehen müssen. Eine Zahl festzulegen ist noch kein Konzept. Wir verlieren mit solchen Inszenierungen nur wertvolle Zeit. Familiennachzug weiter auszusetzen ist unchristlich, die Union sollte sich schämen. Das C in CDU ist längst beerdigt und dreht sich nun im Grab herum. Oberbürgermeister Palmer wird damit kein Problem haben, Claudia Roth vermutlich schon.“
Franziska Brantner (Grüne), Heidelberg: „Zwischen CDU und CSU wird schon viel zu lange über die mit unserem Grundgesetz nicht vereinbare Obergrenze gestritten. Ich hoffe, die Einigung vom Sonntag hat Bestand, meine Erfahrung lässt mich aber daran zweifeln. Der Kompromiss wird ja schon durch CDU und CSU unterschiedlich interpretiert. Mein Verständnis des Kompromisses entspricht dem des CDU-Politikers Ruprecht Polenz: Das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention werden nicht angetastet; niemand wird an der Grenze zurückgewiesen; es wird angestrebt, dass insgesamt die jährliche Zuwanderung aus humanitären Gründen nicht höher ist als 200 000; bei besonderen Umständen kann es notwendig sein, diese Zahl zu überschreiten. Wie das genau funktionieren soll, wird uns die CDU/CSU erklären müssen. 14 Tage nach der Bundestagswahl haben wir jetzt immerhin eine Ausgangsposition. Mehr aber auch nicht, denn spätestens mit dem Beginn von Sondierungen mit der FDP und uns Grünen wird der Wackel-Kompromiss der vermeintlichen Unionsschwestern auf den Prüfstand kommen. Klar bleibt für uns: Für Grundrechte gibt es keine Obergrenzen. Wir brauchen eine gute Regelung für einen geregelten Nachzug von Kindern und eine europäische Antwort auf die Flüchtlings- und Asylpolitik, die menschenrechtskonform ist.“
Nikolas Löbel (CDU), Mannheim: „CDU und CSU haben jetzt eine gemeinsame Lösung gefunden, wie wir die Zuwanderung nach Deutschland begrenzen können. Diese Lösung ist verfassungskonform und ein starkes Zeichen von CDU und CSU. Diese Lösung müssen wir nun auch in den Koalitionsverhandlungen mit FDP und Grünen durchsetzen. Klar ist, die Zuwanderung in unser Land muss verfassungskonform begrenzt werden. Dazu braucht es ein Maßnahmenpaket mit gezielten Maßnahmen in Deutschland, in Europa und in Nordafrika, damit die Zahl von Zuwanderern vor allem aus Afrika und anderen Krisenregionen zurückgehen. Ein solches Konzept haben CDU und CSU nun gemeinsam erarbeitet und vorgelegt. Ich sehe eine Jamaika-Koalition als Chance für unser Land. Wir müssen die Herausforderungen, vor denen wir stehen, erkennen und die richtigen Antworten darauf geben. Dazu müssen alle Parteien, auch die Grünen, erkennen, dass wir die Zuwanderung in unser Land besser steuern und begrenzen müssen.“
Karl Lamers (CDU), Heidelberg: „Die Union hat mit der getroffenen Regelung einen guten Kompromiss gefunden. Ich bin zuversichtlich, dass wir damit die Meinungsverschiedenheiten bei diesem Thema überwunden haben und gemeinsam mit vereinten Kräften in die anstehenden Sondierungsgespräche gehen. Ich denke, dass dies ein Schritt in die richtige Richtung ist. Wir alle wissen, dass eine Zuwanderung in der Dimension von 2015 der absolute Ausnahmefall bleiben muss und sich nicht wiederholen darf. Nun gibt es einen politischen Richtwert, der als Kompass dienen kann. Das Grundrecht auf Asyl wird gleichzeitig nicht infrage gestellt. Eine solche Politik mit klarer Kante und deutlicher Sprache verbindet Humanität auf der einen Seite mit kluger Begrenzung auf der anderen Seite. Die Union hat ihre gemeinsame Marschrichtung festgelegt. Diese werden wir bei den Gesprächen in den kommenden Wochen verfolgen und uns in den Verhandlungen dafür einsetzen, dass unsere Positionen eine Mehrheit finden und eine klare Handschrift der Union beim Thema Flüchtlinge/Migration erkennbar ist.“
Alois Gerig (CDU), Odenwald-Tauber: „Hoffentlich, denn der Streit über die Obergrenze hat der Union geschadet und zum schlechten Wahlergebnis beigetragen. Es sollte sich endlich die Erkenntnis durchsetzen, dass wir keine starre Obergrenze festlegen können – jeder Asylantrag muss in einem rechtstaatlichen Verfahren geprüft werden. Das Ergebnis ist mehr als ein Formelkompromiss und in der Sache überaus richtig. Eine Zielmarke von höchstens 200 000 Flüchtlingen pro Jahr setzt die Politik unter Handlungsdruck, in der Flüchtlingspolitik aktiv zu bleiben. Dazu gehört für mich, die EU-Außengrenzen besser zu schützen, Flüchtlinge fairer in der EU zu verteilen, die verstärkte Rückführung von Flüchtlingen ohne Bleibegrund und eine entschiedene Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern. Der Richtwert von höchstens 200 000 Menschen pro Jahr ist ein wichtiges Signal an künftige Koalitionspartner: Der Union ist es ernst, den Flüchtlingszustrom unter Kontrolle zu halten. Auch wenn wir aus rechtlichen Gründen keine starre Obergrenze festlegen können, so ist unser Land nicht grenzenlos aufnahmefähig - insbesondere der Arbeits- und Wohnungsmarkt.“
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