Israel - Bei seinem Antrittsbesuch bemüht sich der neue Außenminister Heiko Maas, keine der Konfliktparteien zu brüskieren

Premiere in Nahost-Diplomatie

Von 
Inge Günther
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Der deutsche Außenminister Heiko Maas (links) und sein palästinensischer Amtskollege Riyad Al-Maliki in Ramallah. © epa

Jerusalem/Ramallah. Heiko Maas hat dem palästinensischen Präsidenten gleich ein Präsentpaket zu seinem Antrittsbesuch als Außenminister mitgebracht. Schließlich feiert Mahmud Abbas just gestern seinen 83. Geburtstag. Die deutschen Spezialitäten aus dem Kaufhaus des Westens in Berlin sind da eine nette Geste.

Viel hat der neue Bundesaußenminister ansonsten nicht zu bieten, was die Stimmung in der Mukata, dem Amtssitz von Abbas in Ramallah, heben könnte. So bekräftigt der SPD-Politiker das Bekenntnis der Bundesregierung zu einer Zwei-Staaten-Lösung. „Daran wird sich auch nichts ändern“, versichert der deutsche Gast im Beisein seines palästinensischen Amtskollegen Riad Malki.

„Nicht einfacher geworden“

Aber auf dessen Wunsch, eine internationale Konferenz einzuberufen, um auf Basis der arabischen Friedensinitiative wieder zu einem Verhandlungsprozess zu kommen, geht Maas nicht näher ein. Lieber wirbt er dafür, keine Brücken abzubrechen. Das ist nicht nur auf die innerpalästinensische Versöhnung gemünzt, die seit dem versuchten Anschlag auf den Premier der Autonomiebehörden in Gaza vollends ins Stocken geraten ist. Sondern auch auf die Beziehungen zwischen Ramallah und Washington, die Abbas nach Donald Trumps Anerkennung von Jerusalem als israelischer Hauptstadt abgebrochen hat. „Ein Friedensprozess ohne die USA wird schwierig sein“, erklärt Maas. Er jedenfalls belässt es beim Werben für „positive Beiträge“ auf beiden Konfliktseiten, „damit die Menschen hier in Frieden leben können“.

Hinter den schönen Worten klingt Skepsis durch. Seine Gespräche in Jerusalem dürften sie eher noch verstärkt haben. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin hat ihm am Vortag seine Ein-Staaten-Vision geschildert. Nicht wenige Mitglieder der rechten Regierung von Benjamin Netanjahu, darunter die ultranationale Justizministerin Ajelet Schaked, mit der Maas gut befreundet ist, finden wiederum, man komme derzeit ganz gut ohne Lösung aus.

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker sei zwar am ehesten mit einem Zwei-Staaten-Modell, hier Israel, dort Palästina, zu realisieren, betont Maas. Doch dafür müsse es auch vor Ort gesellschaftliche Mehrheiten geben. Sein Resümee: „Ich stelle fest, es ist nicht einfacher geworden.“

Auch die diplomatische Gratwanderung ist für ihn, den frischgebackenen Außenminister ohne große internationale Erfahrung, keine leichte Übung. Die Rolle des bemühten Israel-Verstehers schien ihm, der eigenen Worten zufolge wegen Auschwitz in die Politik gegangen ist, bislang eher zu liegen. Vor dem Abstecher nach Ramallah hat er sichtlich bewegt am Morgen in Jerusalem Holocaust-Überlebende getroffen. Dort hat er eindrücklich erzählt, wie er in der eigenen Familie geforscht habe, wer sich den Nazis widersetzt habe, aber nur Mitläufer fand.

Das deutsche Verhältnis zu Israel beschränkt sich nicht auf die Verantwortung für die dunkle Vergangenheit, sondern umfasst auch Kritik, zum Beispiel am fortwährenden Siedlungsbau. Der Koalitionsvertrag ist in diesem Punkt eindeutig. Die Siedlungspolitik, heißt es dort, „widerspricht geltendem Völkerrecht und findet nicht unsere Unterstützung, weil sie eine Zwei-Staaten-Lösung erschwert“.

Netanjahu vernommen

Maas’ Treffen mit dem israelischen Premier steht freilich unter anderen Vorzeichen: dem Thema Iran. Es ist wieder akut geworden. Schon wegen des Trump-Ultimatums, im Mai aus dem Nuklearabkommen mit Teheran auszusteigen, wenn da nicht nachgebessert werde. Netanjahu zieht in dieser Frage mit dem US-Präsidenten am selben Strang.

Der Israeli hat gestern bereits eine stundenlange Vernehmung der Betrugsermittler hinter sich, die ihn zur jüngsten Korruptionsaffäre befragen. Es ist die vierte, in die Netanjahu verwickelt ist. Die iranische Bedrohung hat für ihn seit jeher Priorität, aber in seiner jetzigen Lage, mit der Polizei an den Fersen, bietet sie dem Premier zugleich die Chance, sich als unersetzlich für die Landesverteidigung zu präsentieren.

Berlin, London und Paris wiederum suchen nach einem Kompromiss, um den alternativlosen Wiener Nuklear-Vertrag von 2015 zu retten. Neue Sanktionen im Hinblick auf das iranische Raketenprogramm kann sich aber auch Maas vorstellen, genauso wie der französische Außenminister, der auch zu Gesprächen mit Netanjahu angereist ist.

Siedlungsausbau steigt

  • Der israelische Siedlungsausbau im besetzten Westjordanland hat nach Angaben der Organisation Peace Now im Jahr 2017 deutlich zugenommen.
  • Es seien 17 Prozent mehr Wohnungen gebaut worden als im jährlichen Durchschnitt seit 2009, teilte die Organisation gestern mit. Damals war Benjamin Netanjahu erneut Ministerpräsident geworden.
  • Nach Angaben der Organisation wurde 2017 mit dem Bau von 2783 Wohnungen begonnen. Ausschreibungen für neue Wohnungen hätten ein „Rekordhoch“ binnen zwei Jahrzehnten erreicht. Außerdem sei die neue Siedlung Amichai gegründet worden.

Korrespondent Inge Günther, 63Jahre, studierte in Köln Heilpädagogik, sattelte anschließend auf Journalismus um und machte ein Zeitungsvolontariat bei der Frankfurter Rundschau. Seit 1996 arbeitet sie als Korrespondentin in Jerusalem mit einjähriger Sabbatical-Unterbrechung 2004/2005 in Kalifornien.

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