Mannheim. Da stehen sie auf der Bühne im Mannheimer Rosengarten. Etwas unbeholfen. Und andächtig. Sie, eine kleine Frau, in einem weinroten Stiftkleid. Er in schwarzem Anzug. Statt einem Einstecktuch sitzt ein kleiner, grüner Plüschfrosch in seiner Brusttasche. Epische Musik ertönt. Die Scheinwerfer blenden sie. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geht auf sie zu. Schüttelt ihnen die Hand – und überreicht ihnen den Deutschen Umweltpreis. Die Bodenwissenschaftlerin Ingrid Kögel-Knabner und der Unternehmer Reinhard Schneider erhalten damit am Sonntag die höchstdotierte unabhängige Umweltauszeichnung Europas. 500 000 Euro sind das Preisgeld.
Warnung vor Vertrauensverlust
Bevor es aber so weit ist, spricht Steinmeier in seiner Festrede über die Klimapolitik. Und wie sie gerade durch „junge Menschen“ geprägt wird. Er nennt sie nicht beim Namen, aber es ist klar, von wem er spricht: „Fridays for Future“. Er lobt und warnt die junge Bewegung. Selten habe der Schutz von Umwelt, Klima und Artenvielfalt die Gesellschaft so bewegt wie zur Zeit. „Das verdanken wir vor allem den Hunderttausenden jungen Menschen, die Freitag um Freitag für ihre politischen Forderungen auf die Straße gehen.“ Auch wenn die Aushandlung des Klimapakets der Bundesregierung noch in Gang sei, „die jungen Menschen haben der Klima- und Umweltpolitik weltweit einen gewaltigen Schub versetzt. Und sie haben uns in Deutschland daran erinnert, welcher Elan, welcher Ehrgeiz in diesem Land stecken kann.“
Steinmeier geht auch auf die kritischen Stimmen zum Klimapaket ein. Es gehe ihm als Bundespräsident nicht darum, einzelne Maßnahmen zu bewerten. „Sondern mein Anliegen ist, dass aus der Enttäuschung über das Noch-nicht-Erreichte keine Entfremdung von der Demokratie wird.“ Steinmeier warnte davor, die Möglichkeiten der Demokratie kleinzureden, indem die Herausforderungen apokalyptisch beschrieben würden. „Und vor allem warne ich davor, in dieser Debatte die einen gegen die anderen auszuspielen: die Leidenschaft und Entschiedenheit der jungen Menschen auf der Straße gegen die vermeintliche Nüchternheit und Behäbigkeit der demokratischen Verfahren“, sagt Steinmeier. Die Preisträger bezeichnet er als Vorbilder.
Und in diesem Moment wandert sein Blick ins Publikum. Dort sitzt die Frau im weinroten Kleid – Ingrid Kögel-Knabner. „Dank Ihnen verstehen wir besser, wie der globale Kohlenstoffkreislauf funktioniert“, sagt Steinmeier. „Und so fügt sich das Puzzleteil der Bodennutzung in ein größeres Bild, das globale Klima nämlich und dessen alarmierender Wandel.“
„Auf Nachhaltigkeit getrimmt“
Mit einem Witz richtet Steinmeier das Wort an den Mann mit dem Frosch in der Brusttasche. Reinhard Schneider ist Chef des Mainzer Chemiekonzerns Werner & Mertz, das etwa Putz- und Waschmittel der Marke Frosch herstellt. „Als Archimedes von Syrakus die Gesetzmäßigkeit des Auftriebs entdeckt hatte, soll er der Legende nach aus der Badewanne gesprungen und ,Heureka – Ich hab‘s’-rufend durch die Stadt gerannt sein. Reinhard Schneider stellt zwar auch Duschgels her, aber ich weiß nicht, ob er jemals aus der Badewanne gesprungen ist.“ Als Unternehmer habe er aber wahre Pionierleistungen erbracht. „Dieser Mann hat sein Unternehmen, seine Produktion und seine Produkte voll auf Nachhaltigkeit getrimmt.“
Die Forscherin und der Unternehmer
- Forschen ist ihre Passion. Ingrid Kögel-Knabner war maßgeblich an der Erforschung beteiligt, wie Böden Kohlenstoffdioxid in abgewandelter Form speichern.
- Die Professorin an der TU München wurde für ihr Engagement zur Entwicklung der Bodenkunde und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ausgezeichnet.
- Mit ihrem Preisgeld will Kögel-Knabner Frauen in Westafrika fördern, die sich für eine nachhaltige Bodennutzung engagieren.
- Preisträger Reinhard Schneider ist der Unternehmer hinter Markennamen wie „Frosch“ oder „Erdal“.
- In seinen unternehmerischen Entscheidungen achtet er bei Inhaltsstoffen, Verpackungen, Produktionsabläufen und dem Firmengebäude auf Nachhaltigkeit. Er verwertet Altplastik wieder und verwendet für seine Produkte kein Palmöl, sondern heimisches Pflanzenöl.
- Das Preisgeld will Schneider nutzen, um tropische Regenwälder aufzuforsten.
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