Mannheim. Nach seinem Glanzstart vor zwei Wochen – von null auf Platz eins – nimmt Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auch im aktuellen Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen die Spitzenposition ein und ist damit der beliebteste Politiker in Deutschland. Auf der Skala von plus fünf bis minus fünf legt er sogar noch auf plus 1,7 zu und rangiert damit klar vor Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit plus 0,6 und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der fast die Hälfte seines Popularitätswerts einbüßt. „Pistorius ist keine Eintagsfliege. Die Menschen trauen ihm viel zu – und er liefert auch“, sagt Andrea Wolf von der Forschungsgruppe.
„Diffuse Sehnsucht nach Frieden“
Dass der SPD-Politiker offen seine Meinung ausspricht, hat er schon früher bewiesen. Diese Woche forderte Pistorius mehr Geld für die Bundeswehr, damit Deutschland das in der Nato vereinbarte Ziel erreichen kann – zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts sollen in die Verteidigungsausgaben gesteckt werden. Interessant dabei ist, dass Pistorius mit dieser Forderung auf ein positives Echo bei den Befragten stößt. 62 Prozent meinen, dass die Bundeswehr aufgerüstet werden soll – und zwar auch, wenn die Ampel-Koalition dadurch in anderen Bereichen sparen oder mehr Schulden aufnehmen muss. Nur im Lager der Linken gibt es für diese Position keine Mehrheit. „Nach einem Jahr Krieg in der Ukraine haben die Deutschen erkannt, wie wichtig die Verteidigungsfähigkeit ist – und dass es diese eben nicht zum Nulltarif geben kann“, sagt Wolf.
Nach einem Jahr Krieg wächst aber auch die „diffuse Sehnsucht nach Frieden“, wie es Wolf ausdrückt. Die Deutschen sind aber gespalten, wie dieser erreicht werden kann. Immerhin 41 Prozent vertreten die Ansicht, dass der Westen darauf drängen sollte, dass die Ukraine Gebietsverluste hinnehmen müsse, wenn dadurch der Krieg beendet werden könnte. Dass es dazu kommt, ist gegenwärtig unwahrscheinlich, Kanzler Scholz hat sich diese Woche in einer Regierungserklärung festgelegt: „Mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln – außer über die eigene Unterwerfung.“ Ebenfalls 41 Prozent sehen das auch so und meinen, dass die Ukraine mit Unterstützung des Westens alle von Russland besetzten Gebiete zurückerobern muss – also auch die Krim. Einig sind sich die Deutschen dagegen in der Meinung, dass China nicht neutral sei und deshalb als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine nicht geeignet sei. 86 Prozent meinen das.
Kein einheitliches Stimmungsbild gibt es bei der Frage, wie Russland auf die Lieferung schwerer Waffen aus dem Westen reagiert. Fast die Hälfte – 49 Prozent – glauben, dass die Gefahr eines Angriffs steigt, wenn die Ukraine weiter Waffen bekommt, 45 Prozent machen sich keine Sorgen. Beruhigend finden es allerdings zwei Drittel, dass Deutschland in der Ukraine-Krise eng mit den USA zusammenarbeitet.
Nach dem Ukraine-Krieg ist der Klimaschutz das wichtigste Thema, das die Deutschen bewegt. Fast die Hälfte der Befragten meint, dass die Grünen eine Klimapolitik in ihrem Sinne machen. 48 Prozent bemängeln allerdings, dass die Bundesregierung zu wenig für den Klimaschutz tut. Dass die Politik auf die Demonstrationen und Proteste für mehr Klimaschutz reagiert, bezweifeln 72 Prozent. Damit hat sich das Meinungsbild völlig gedreht im Vergleich zu 2019, der Anfangszeit von Fridays for Future. Damals glaubte die Hälfte, dass die Freitagsdemonstrationen der Schülerinnen und Schüler die Politik beeinflussen würden. „Erst herrschte Hoffnung, jetzt überwiegt der Pessimismus, weil die Menschen den Eindruck haben, dass nichts passiert“, sagt Wolf. Besonders krass ist es, dass drei Viertel meinen, dass es der Welt in den nächsten Jahren nicht gelingen wird, den Klimawandel zu bekämpfen.
Ampel weiter ohne Mehrheit
Wenn schon wieder am Sonntag Bundestagswahl wäre, hätte die Ampel-Koalition unverändert keine Mehrheit. Die Union könnte dagegen mit der SPD oder den Grünen Zweier-Bündnisse schmieden. Sie verliert im Vergleich zur Umfrage vor zwei Woche wieder einen Prozentpunkt, behält aber ihre Spitzenposition. „Im Februar profitierte die Union stark vom Wahlsieg der Berliner CDU. Dass dieser Effekt jetzt wieder ein wenig verpufft, ist nicht ungewöhnlich“, sagt Wolf.
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