USA - Obamas republikanischer Herausforderer gilt als ein roboterhafter Effizienzfanatiker

Mitt Romney, der hölzerne Kandidat

Von 
Frank Herrmann
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Washington. Wenn Mitt Romney doch nur erzählen könnte. Der freundliche Herr in Reihe sieben bittet ihn, doch ein wenig aus seinem Leben zu plaudern: "Zum Beispiel, wie war das damals mit Melissa?" Es ist eine Steilvorlage. Nachdem der Politiker über Defizite und Sparprogramme geredet hat, will der Fragesteller den Menschen Romney aus der Reserve locken. Melissa Gay war an einem Sommertag des Jahres 1996 nicht zurückgekehrt von einer Party. Ihr Vater wandte sich hilfesuchend an seine Geschäftspartner, auch an Romney, der schnell die Büros seiner Firma Bain Capital schließen ließ und mit 56 Investmentbankern aus Boston nach New York eilte. In Manhattan verteilten sie Flugblätter, sprachen Passanten an, klebten Zettel mit dem Foto des Mädchens an Laternenmasten. Irgendwann wurde die 14-Jährige gefunden, in einem Haus in New Jersey, wohin ein zufälliger Bekannter sie mitgenommen hatte.

Das größte Manko

Romney könnte das aufregende Kapitel detailliert schildern. Ein Mensch, der notfalls alles liegenlässt und eben nicht nur kühl zu kalkulieren versteht - das wäre ein facettenreicheres Bild, als es die meisten Amerikaner von dem Multimillionär haben. Drei, vier Sätze sagt er zu Melissa, so nüchtern, als läse er einen Geschäftsbericht vor. Dabei läuft er drei Schritte nach links, drei nach rechts, als wäre er ein Roboter mit eingeschränktem Bewegungsspielraum.

Die hölzerne Art gilt als größtes Manko des Wahlkämpfers Romney, der im November den Präsidenten Barack Obama herausfordern wird - nach dem Ausscheiden seines Rivalen Rick Santorum ist ihm der Vorwahlsieg bei den Republikanern nicht mehr zu nehmen. Momentan wird sein Image von weniger schmeichelhaften Geschichten aus dem Privatleben geprägt, sie passen besser zum Klischee des Effizienzfanatikers. Privatgeschichten sind den Wählern wichtig, weil sie Rückschlüsse auf den Charakter zulassen. Etwa die Sache mit Seamus, dem Hund. Zu Beginn einer zwölfstündigen Fahrt band der Familienvater den Irish Setter im Käfig aufs Autodach, weil im Chevy angesichts von fünf Söhnen kein Platz für den Vierbeiner war. Seamus rächte sich, indem er seinen Mageninhalt entleerte. Worauf Romney kurz an einer Tankstelle stoppte und ohne viel Aufsehens Hund und Auto abspritzte. "Emotionsfreies Krisenmanagement, ein Wesenszug, für den er berühmt werden sollte", schreiben die Autoren Michael Kranish und Scott Helman in einer Biografie. "Der Name Seamus wurde zur Chiffre für ein klinisch kaltes Herangehen an die Lösung von Problemen."

Bei Bain Capital, einer Beteiligungsgesellschaft, die marode Betriebe aufkaufte, um sie möglichst profitträchtig zu sanieren, war Romney nicht der kreative Denker mit den zündenden Ideen. Seine Stärke bestand darin, akribisch durchzurechnen, ob es sich lohnte, irgendwo einzusteigen.

In Salt Lake City, wo er als Cheforganisator die Olympischen Winterspiele 2002 nach einer Korruptionsaffäre vor einer Blamage bewahrte, setzte er seinen eisernen Sparkurs bis ins letzte Detail durch. Freie Getränke für seine Mitarbeiter wurden gestrichen. Zum Lunch bestellte er Fünf-Dollar-Pizzas, die er in acht Stücke teilen ließ und für die er pro Stück einen Dollar verlangte.

Taktische Manöver

Der Einsatz für die Gesundheitsnovelle, der Schulterschluss mit dem Demokraten Edward "Ted" Kennedy - an der republikanischen Basis gibt es etliche, die Romney die Flexibilität übelnehmen. Evangelikale Christen fremdeln mit dem Mormonen: Der 65-Jährige denkt zwar fiskalisch konservativ, doch bei Themen wie Abtreibung, Schwulenehe und Umweltschutz kann er leicht einen gemeinsamen Nenner mit Obamas Anhängern finden. Von den Rebellen der Tea Party getrieben, steht vielen in der "Grand Old Party" der Sinn allerdings nicht nach Konsens mit den verhassten Demokraten. Im Vorwahlgefecht passte sich der Bewerber an, indem er nach rechts rückte. Nun stellt sich die Frage, wie schnell er zurückrudern kann, um gegen Obama in der Mitte zu punkten. Und ob ihm die Wähler das taktische Manöver abnehmen.

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