Union

Merkels Chefstratege will nach oben

Von 
Miriam Hollstein
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Helge Braun gilt als Merkels Mann. Hier ist er vor Beginn einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Gespräch mit der Kanzlerin. © Michael Kappeler/dpa

Berlin. Er ist der Überraschungskandidat im Kampf um den CDU-Vorsitz: Helge Braun, bislang als Kanzleramtschef eher ein Mann im Hintergrund, will die Führung der Bundespartei übernehmen. Dies teilte der 49-jährige Hesse am Freitag seinem Landesverband in einer Videoschalte mit. Offiziell wird er von seinem Gießener Kreisverband nominiert. In einem Brief an alle CDU-Mitglieder kündigte Braun am Freitagabend an, die Partei als „starke Opposition“ schnell wieder „kampagnenfähig“ machen sowie näher an die Basis bringen zu wollen.

„Als Notarzt und Arzt im Bereich von Narkose, Notfall- und Intensivmedizin habe ich früh beruflich gelernt, mit Krisensituationen professionell umzugehen“, schreibt er weiter. Damit ist Braun der Dritte im Bunde: Ebenfalls am Freitag gab der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen in Berlin seine Kandidatur bekannt. Klare Ambitionen hat auch Ex-Fraktionschef Friedrich Merz, auch wenn er diese noch nicht öffentlich gemacht hat.

Seit 2002 Mitglied im Bundestag

Braun ist bislang nicht nur der jüngste Aspirant auf den Parteivorsitz: Er ist auch der Einzige unter den dreien, der es zuvor noch nicht versucht hat. Sowohl Röttgen als auch Merz hatten sich in der Vergangenheit vergeblich beworben, Merz sogar zwei Mal. 2018 trat er für die Nachfolge von Merkel an, verlor knapp gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, 2021 dann in der Stichwahl gegen Armin Laschet, nachdem Röttgen zuvor ausgeschieden war. Bis Merkel ihn im März 2018 zum Kanzleramtschef machte, war Braun nur wenig in Erscheinung getreten. Dabei gehört der promovierte Mediziner dem Bundestag bereits seit 2002 an. Im Kanzleramt erarbeitete er sich schnell den Ruf, ein ebenso fleißiger wie gewissenhafter Organisator zu sein. Mit seiner bedächtigen Art wurde er zum Vermittler bei den zähen Bund-Länder-Gesprächen zur Corona-Politik wie auch bei Streitigkeiten in der Koalition. In die Rolle, die Regierung nunmehr auch öffentlich häufiger in Interviews oder bei TV-Talkshows zu repräsentieren, musste er sich erst einfinden. Trotzdem wurde er, der vor allem bei seinen Herzensthemen Gesundheit und Digitalisierung mehr Tiefenkenntnis als viele andere Politiker vorweisen kann, schnell zum geschätzten Gesprächspartner. Merkel dürfte an ihm zudem seine Diskretion und unbedingte Loyalität zu schätzen gewusst haben.

Genau das könnte sich aber auch als Nachteil für Braun erweisen. Er gilt als Mann Merkels. Auch wenn er den Eindruck von sich weist, sie stecke hinter seiner Kandidatur, so ist doch klar, dass er ohne ihre Zustimmung niemals angetreten wäre. Es ist fraglich, ob die CDU-Basis nach 16 Jahren Merkel-Ära mit all ihren Höhen und Tiefen einen Vorsitzenden an der Spitze haben möchte, der eine Fortsetzung dieser Politik mit anderen Mitteln bedeuten würde.

Seinen eigenen Kreisverband in Gießen führt Braun seit 18 Jahren. Brauns Chance liegt darin, jene hinter sich zu versammeln, die Merz für zu konservativ und Röttgen für nicht integrativ genug halten. In den kommenden Tagen und Wochen will Braun auch ein Team präsentieren. Er kündigte an, dabei alle Flügel einbinden zu wollen. Gerüchten zufolge wird die Laschet-Vertraute Serap Güler, bislang Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen, dabei sein. Sie soll sogar als Generalsekretärin im Gespräch sein.

Eine Frau als mögliche Generalsekretärin hatte auch Norbert Röttgen am Freitag präsentiert, als er seine Bewerbung publik machte. Er habe schon bei seinem ersten Anlauf die „tiefe Überzeugung“ gehabt, „dass es kein ‚Weiter so‘, erst recht kein ‚Zurück‘“ gebe, betonte Röttgen. Mit einem Sechs-Punkte-Plan will der 56-Jährige die CDU in die Zukunft führen. Dazu zählt unter anderem ein stärkerer Fokus auf die Themen Generationengerechtigkeit, Dialog und Ostdeutschland.

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