Politbarometer

Meinungsumschwung beim Leopard 2

Vor zwei Wochen lehnte die Mehrheit der Deutschen noch die Lieferung von schweren Kampfpanzern ab. Andrea Wolf von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen erklärt den Meinungsumschwung

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Walter Serif
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GA_MPO_Politbarometer_Januar_II © Grafik MM

Mannheim. Die Grünen haben von den Aktivisten in Lützerath verbal kräftig auf die Mütze bekommen. Ausgerechnet die einzige Partei im Bundestag, die sich stark für den Klimaschutz einsetzt, muss sich von der Protestbewegung schwere Vorwürfe anhören lassen. Das hinterlässt manche Grünen-Politiker ratlos: Warum attackieren die nicht die CDU/CSU oder die SPD, die beim Klimaschutz eher die Bremserrolle einnehmen, fragen sie sich fast schon verzweifelt. Das klingt teilweise wie Liebesentzug.

Der Unmut der Klimaaktivisten schlägt sich auch im Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen nieder. In der Sonntagsfrage büßen die Grünen zwei Zähler ein. Wenn jetzt schon wieder Bundestagswahl wäre, kämen sie auf 19 Prozent. Das würde wie 2021 nur für den dritten Platz reichen. Die SPD, die auf 21 Prozent (plus eins) kommt, zieht am Koalitionspartner vorbei.

Vorschuss für neuen Minister

„Lützerath hat die Grünen ein wenig mitgenommen, deshalb haben sie sich jetzt in der Umfrage verschlechtert. Aber das ist beileibe keine Trendwende. Immerhin setzen die Deutschen unverändert beim Klimaschutz auf die Politik der Grünen, die mit ihrer Königsdisziplin weit vor den anderen Parteien landen“, sagt Andrea Wolf von der Forschungsgruppe. Allerdings: Auch die Befragten grübeln darüber nach, ob die Grünen als Regierungspartei nicht zu viele Kompromisse machen. Das Ergebnis ist uneinheitlich: 45 Prozent meinen, die Zugeständnisse seien zu groß, 47 Prozent sehen das anders. „Bei aller Kritik der Wählerinnen und Wähler an den Grünen, dürfen wir nicht vergessen: Es gibt kein anderes Politikfeld wie den Klimaschutz, bei dem einer Partei eine so hohe Kompetenz zugesprochen wird wie den Grünen“, sagt Wolf.

Natürlich ist auch der Wechsel im Bunde sverteidigungsministerium ein Thema im aktuellen Politbarometer. Angeblich wurde Boris Pistorius vom Anruf des Bundeskanzlers Olaf Scholz überrascht. Erst seit einer guten Woche ist der erfahrene SPD-Politiker im Amt. Er hat das schon in Friedenszeiten schwierigste Ressort im Kabinett übernommen, das in der Vergangenheit für die meisten Ministerinnen und Minister ein Karrierekiller war.

Seine Vorgängerin Christine Lambrecht musste das am eigenen Leib erfahren. Praktisch in Gedanken schon im Ruhestand, reaktivierte Scholz die frühere Justizministerin, die 2021 nicht einmal mehr für den Bundestag kandidiert hatte. Mit dieser Personalie lag der Kanzler allerdings völlig daneben, was inzwischen selbst der eher beratungsresistente Scholz eingesehen haben dürfte. Vor zwei Wochen forderten 60 Prozent der Befragten den Rücktritt der Politikerin. Selbst die Hälfte der SPD-Anhängerschaft wollte, dass Lambrecht von sich aus geht. Jetzt herrscht nach dem Personalwechsel wieder großer Optimismus. Immerhin meinen 66 Prozent, dass Pistorius - der übrigens in der Bundeswehr gedient hat - seine Sache als Verteidigungsminister eher gut machen wird. „Die positive Erwartungshaltung geht quer durch alle Parteien. Das ist nicht selbstverständlich“, sagt Wolf.

Deutsche begrüßen Panzer-Wende

Bemerkenswert am Politbarometer ist auch der Meinungsumschwung bei den schweren Kampfpanzern. Vor zwei Wochen begrüßten die Befragten zwar mit großer Mehrheit, dass die Bundesregierung Schützenpanzer vom Typ Marder liefern will. Beim Kampfpanzer Leopard 2 waren die Meinungen aber eher geteilt. 42 Prozent waren dafür, 46 Prozent dagegen. Es folgten dann quälende Tage, in denen Scholz zauderte, was die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann als „eine Katastrophe“ bezeichnete.

Schließlich fasste sich der Kanzler nach seinem ganzen „Gescholze“ ein Herz. Und siehe da: Jetzt finden es plötzlich 54 Prozent der Befragten gut, dass Deutschland den Leopard 2 liefert. „Das ist in gewisser Weise die Macht des Faktischen. Wenn die Politik entscheidet, ändert sich oft auch das Stimmungsbild. Deshalb müssen die Entscheidungsträger zwar wissen, was die Menschen bewegt, sie dürfen aber ihre Politik nicht nach den Umfragen richten“, sagt Wolf. Obwohl die Wählerinnen und Wähler jetzt den Scholz-Kurs unterstützen, bleibt allerdings die Polarisierung groß. 75 Prozent der Grünen wollen den Leopard 2 einsetzen, 89 Prozent der AfD-Anhänger gefällt das nicht.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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