Washington. Donald Trump brauchte von der Präsidentschaftsdebatte das, was Amerikaner einen "Game-Changer" nennen. Egal wie man diese Diskussion zwischen dem Amtsinhaber und Joe Biden wendet, gab es während dieser 90 Minuten nichts, was die Sichtweise der Amerikaner fundamental verändert hätte. Da die Zahl der überzeugbaren Wähler schon vorher auf ein Minimum geschrumpft war, machte das Ergebnis der Debatte keinen großen Unterschied. Dennoch ist es wichtig.
Biden bleibt der vernünftige Kandidat, der sich gegen den "verrückten Onkel" verteidigen muss. Trumps Berater schärften dem Kandidaten ein, seinen Gegner nicht zu unterbrechen. Falls das nicht half, reichte die Drohung der Veranstalter aus, die Mikrophone der Kontrahenten stumm zu schalten. Biden nutzte die Gelegenheit, aussprechen zu dürfen. Er schrieb dem Präsidenten ins Stammbuch, was gesagt werden musste. Dass er ein skrupelloser Rassist ist, der das Leben anderer inmitten einer Pandemie gefährdet, die bereits mehr als 220.000 Menschenleben gekostet hat. Dem hatte Trump wenig entgegen zu setzen. Stattdessen behauptete er allen Ernstes, "die am wenigsten rassistische Person im Raum" zu sein. Eine Aussage, die so wenig stimmt, wie die Behauptung, das Ende der Pandemie sei bereits in Sicht. Nein, der Präsident hat sich mit dieser Debatte voller Lügen und Halbwahrheiten keinen Gefallen getan. Es fällt schwer zu glauben, dass er mit seinem energielosen Auftritt irgendjemanden überzeugte, der nicht schon vorher für ihn war.
Seine Vorwürfe gegen Hunter Biden, den Sohn seines Herausforderers, erwiesen sich als so haltlos, dass Moderatorin Kristen Walker die Verbreitung falscher Beschuldigungen effektiv eindämmen konnte. Wenn dies der Versuch gewesen sein sollte, die Aufmerksamkeit der Amerikaner auf einen "Scheinskandal" zu richten, ging Trumps Rechnung nicht auf. Im Gegenteil enthüllte die Debatte die ganze inhaltliche Leere eines Präsidenten, der im Weißen Haus keinen Widerspruch duldet.
Von der Pandemie über die Gesundheitspolitik bis hin zur Staatsverschuldung zeichnet sich Trump vor allem durch eines aus: Er hat keinen Plan. Selbst wenn diese Debatte nicht so ein Desaster war, wie die Erste, tat er sich auch diesmal keinen Gefallen. Er hätte den Amerikanern einen Grund geben müssen, ihn für eine zweite Amtszeit zu wählen. Diesen blieb er den Wählern bis zum Ende der 90 Minuten schuldig. Joe Biden dagegen lieferte ein solide Vorstellung ab, in der er messerscharf die Argumente des Präsidenten zerlegte. Er machte an diesem Abend weit mehr als er schaffen musste. Der Demokrat ließ die Angriffe nicht nur an sich abprallen, sondern ging als klarer Punktsieger aus der Debatte hervor. Die offene Frage bleibt nun, wie der Präsident das Rennen so kurz vor der Ziellinie noch einmal umdrehen will. Die Debatte in Nashville war seine letzte Gelegenheit dafür. Und diese ließ er ohne Zweifel ungenutzt verstreichen.
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