Berlin. Die FDP legt erneut nach: Mit der Einigung auf eine Zulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren in der EU auch nach dem Jahr 2035 schien der Streit zwischen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und der EU-Kommission endlich beigelegt. Doch da die klimaschonenden Kraftstoffe – sogenannte E-Fuels – voraussichtlich teuer werden, kündigte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) jetzt an, er wolle die Besteuerung von Kraftfahrzeugen reformieren. Die Nutzung von E-Fuels soll geringer besteuert werden als die von Benzin oder Diesel.
„Wenn der Kraftstoff klimafreundlich ist, dann muss die Besteuerung von der Kraftfahrzeugsteuer bis zur Energiesteuer angepasst werden“, forderte der FDP-Chef am Sonntag. Das Finanzministerium werde dazu ein Konzept vorlegen. Grund für Lindners Engagement ist, dass auch nach dem Jahr 2035 Neuwagen mit Verbrennungsmotor in der EU zugelassen werden, wenn sie mit klimaneutralem Kraftstoff betankt werden.
E-Fuels sind Kraftstoffe, die mit Ökostrom aus Wasser und Kohlendioxid erzeugt werden. Deutschland bestand im Streit mit der Europäischen Union darauf, dass mit E-Fuels betankte Autos einbezogen werden. Der Kompromiss zwischen Bundesregierung und EU-Kommission beendet am Freitag eine lange Hängepartie. Europaparlament und EU-Staaten hatten sich ursprünglich schon im Oktober darauf geeinigt, dass in der Europäischen Union ab dem Jahr 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen.
Am Sonntag legte Lindner dann noch einmal nach. Doch die Grünen wollen von einer Extrawurst für E-Fuel-Nutzer erst einmal nichts wissen. Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar appellierte stattdessen an Lindner, Zusagen zum Klimaschutz einzuhalten. „Die zugesagten Gesetzesentwürfe für den Abbau klimaschädlicher Subventionen sind überfällig“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. „Auch den Vorschlag für einen sozial-ökologischen Umbau der Entfernungspauschale ist der Finanzminister noch schuldig. Wenn im Finanzministerium etwas Arbeitszeit übrig ist, sind diese Punkte abzuarbeiten. Immerhin hat Lindner das persönlich zugesagt“, so Gelbhaar.
Diskussion um Steuersenkung
Der Grüne und seine Koalitionskollegin Dorothee Martin, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, sind sich in diesem Fall einig. Martin sagte dieser Redaktion: „Bevor wir uns um die Besteuerung noch nicht vorhandener Kraftstoffe kümmern, die vielleicht irgendwann in der Zukunft einmal eine kleine Rolle spielen werden, sollten wir endlich die drängenden Fragen angehen.“ Dazu gehört für die Verkehrspolitikerin unter anderem „die längst überfällige Reform der Dienstwagenbesteuerung“. Sie freue sich hier auf Lindners Vorschläge.
Der Finanzminister räumte ein, dass es noch eine Weile dauern werde, bis Autos mit E-Fuels im Tank auf deutschen Straßen fahren werden. Sein baden-württembergischer Amtskollege, Landesfinanzminister Danyal Bayaz (Grüne), kommentierte die unklaren Zukunftsaussichten bei E-Fuels scherzhaft mit dem Hinweis: „Apropos Zukunft des Steuerrechts im Verkehrsbereich – wollen wir Fahrten zum Mond künftig mit 19 oder sieben Prozent Mehrwertsteuer belegen?“
Finanzminister Lindner blieb jedoch unbeirrt: „Für die Menschen und die Wirtschaft wird es eine wichtige Planungsgröße sein, dass die E-Fuels günstiger besteuert werden als fossile Kraftstoffe.“
Der Unions-Verkehrspolitiker Thomas Bareiß (CDU), warnte jedoch davor, die Steuersenkung für E-Fuels zu früh einzuführen. „Der Umstieg auf CO2-freundliche Kraftstoffe und die Änderung der Besteuerung muss zeitlich abgestimmt sein“, sagte er dieser Redaktion. „Alles andere wäre eine einseitige Steuererhöhung.“ Eine Reform der Kfz-Steuer dürfe nicht auf Kosten der Menschen gehen, die täglich aufs Auto angewiesen seien, fügte Bareiß hinzu.
Der Verband der Automobilindustrie reagierte ebenfalls positiv auf den ausgehandelten Kompromiss zwischen Bundesregierung und EU-Kommission. „Wir brauchen alle klimafreundlichen Technologien, um die EU-Klimaziele zu erreichen“, betonte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer befürchtet allerdings eine Verunsicherung der Auto-Hersteller, die gerade nach dem richtigen Ausstieg aus den fossilen Kraftstoffen suchen. Das sei schlecht für die europäische Autoindustrie, „denn Chinesen und US-Amerikaner werden durch die neuen Investitionsverunsicherungen den Abstand zur europäischen Industrie beim Elektroauto vergrößern“.
Verbindlicher Zeitplan
Die Bundesregierung hatte Anfang März auf Drängen der FDP die Bestätigung der Einigung durch die EU-Staaten blockiert, weil ihr die Zusagen der Kommission noch nicht ausreichten. Neben Deutschland standen dem Vorhaben ursprünglich auch andere Länder wie Italien, Österreich und Polen kritisch gegenüber.
Für die Umsetzung der Lösung wurden laut Bundesverkehrsminister Wissing jetzt konkrete Abläufe und ein Zeitplan verbindlich fixiert. „Wir wollen, dass der Prozess bis Herbst 2024 abgeschlossen ist“, sagte er. Die endgültige Abstimmung aller 27 EU-Staaten soll nun am kommenden Dienstag stattfinden. Mit der deutschen Zustimmung gilt es als ziemlich sicher, dass dann die notwendige Mehrheit erreicht werden wird. (mit dpa)
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