US-Wahl - Der erste Schock nach Trumps Sieg ist verdaut - nun lautet die Frage: Wie geht es weiter?

Klasse schlägt Geschlecht

Von 
Andrea Römmele
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Andrea Römmele hat die US-Wahl hautnah beobachtet.

© Rinderspacher

Washington. Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich erst jetzt melde - ich wollte schon direkt nach der Wahl berichten, aber ehrlich gesagt musste ich wie so viele andere den Schock erst einmal verarbeiten. So ganz verdaut ist er auch noch nicht. Was ist falsch gelaufen? Warum hat Donald Trump gewonnen, und warum haben wir das nicht kommen sehen?

Zur ersten Frage: Ich würde gar nicht sagen, dass Trump gewonnen hat. Hillary Clinton hat verloren. Und das hat sich - zumindest rückblickend - schon früh abgezeichnet. Sie war nicht die Repräsentantin der amerikanischen Mittelklasse, wie es Demokraten im Normalfall eigentlich sind. Sie wurde nicht in Verbindung mit den Themen und Nöten der Mittelklasse gebracht. Wenn man kandidiert, muss man immer auch als Person zu dem vertretenen Programm passen. Das gilt bei uns in noch stärkerem Maße als in den USA, aber auch dort muss es ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen Themen und Kandidaten geben. Und ihre Kernklientel hat es Hillary nicht abgenommen, dass sie sich für die kleinen Leute, für die Arbeiter, für die Mittelklasse einsetzt. Zu deutlich waren ihre Verbindungen zur Wall Street, ihre Nähe zu den Einflussreichen, zum großen Geld.

Starre Kampagnen

Ferner war sie nicht inspirierend genug, und ihre Kampagne war es auch nicht. Ich habe schon früh gesagt, dass die Kampagne zu unemotional, zu starr organisiert war. Und das hat sich nun gezeigt. Auch die Annahme, die Bundesstaaten im "Rust Belt", also Wisconsin, Iowa, Michigan, Ohio, seien eine sichere Bank für die Demokraten, war falsch.

Und die Frauen? Es lag nahe zu vermuten, dass nach all den sexistischen Beleidigungen von Donald Trump die Frauen mehrheitlich hinter Clinton stünden. Fehlanzeige - auch hier konnte Hillary nicht ausreichend punkten. Warum? Weil diese Frauen eben auch Teil der Mittel- und Unterschicht der USA sind. Klasse schlägt Geschlecht! Und auch Hillarys organisatorische Überlegenheit in den letzten Wochen vor der Wahl, die ja noch einmal ganz entscheidend für die Wählermobilisierung sind, hat nicht gestochen: Die Zahlen zeigen ganz deutlich, dass entscheidende Wählergruppen nicht zur Wahl gegangen sind.

Wieso haben wir Sozialwissenschaftler das nicht kommen sehen? Zumindest die meisten von uns? Hier greift die Theorie der großen alten Dame der Demoskopie, Elisabeth Noelles Schweigespirale. Sie geht davon aus, dass Menschen nicht einer Minderheitenmeinung angehören wollen, sondern gern Teil der Mehrheitsmeinung sind. Die Medien haben den Menschen vermittelt, dass der Sieg Clintons sehr wahrscheinlich ist, anstatt zuzugeben, dass man doch eher für Trump stimmt - was brüskierend hätte wirken können. Diese Menschen haben ihre Stimme bei der Wahl erhoben.

Das Wahlsystem hat - wie im Jahre 2000 - wieder einmal seine Absurdität gezeigt: Clinton hat die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt, sie hat vor allem die überwiegende Mehrheit der jungen Amerikanerinnen und Amerikaner auf ihrer Seite - hätten nur Menschen unter 30 wählen dürfen, wäre es ein Erdrutschsieg für Hillary Clinton geworden. Und es sind vor allem sie, die jetzt auf die Straßen gehen und demonstrieren.

Wie kann es weitergehen? Amerika sieht unruhigen Zeiten entgegen!

Unsere Autorin Andrea Römmele (49), Politikprofessorin aus Mannheim und Direktorin an der Hertie School of Governance in Berlin, unterstützte im Wahlkampf Hillary Clinton und deren Team.

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