Betreuungsgeld (I) - Familienministerium kündigt großzügige Übergangsregelung an / Alleingang der Bayern umstritten

Keine Rückzahlung nötig

Von 
Rudi Wais
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Mutter Steffi mit ihren Kindern Elonore, Erik und Jonas kühlen sich im Planschbecken ab. Die Kinder der Freiburger Familie werden zuhause betreut.

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Berlin. Das Urteil kommt nicht unerwartet - seine Folgen aber sind nicht absehbar. Nachdem das Verfassungsgericht das Betreuungsgeld gekippt hat, stehen zwei Fragen ganz oben auf der politischen Tagesordnung: Was macht der Bund mit den freiwerdenden Mitteln? Und welche Länder zahlen wie Bayern bald ein eigenes Landes-Betreuungsgeld? In Rheinland-Pfalz macht die CDU damit bereits Wahlkampf. Spitzenkandidatin Julia Klöckner verlangt: "Das Geld muss bei den Familien bleiben." Im Folgenden geben wir Antworten auf wichtige Fragen:

Warum mischt sich ein Gericht in die ureigensten Angelegenheiten von Eltern ein?

Genau das hat das Verfassungsgericht nicht getan. Es hat nicht geprüft, ob das Betreuungsgeld Familien begünstigt oder benachteiligt. Aus Karlsruher Sicht hätte es der Bund nicht einführen dürfen, weil er dafür überhaupt nicht zuständig ist. Ferdinand Kirchhof, der Vorsitzende Richter, formulierte es in seiner Urteilsbegründung gestern so: "Wegen der fehlenden Zuständigkeit des Bundes hat sich der Senat nicht mehr mit der materiellen Frage beschäftigt, ob ein Betreuungsgeld mit den Grundrechten vereinbar wäre."

Heißt das, dass die Auszahlung des Betreuungsgeldes nun umgehend gestoppt wird oder der Staat gar Geld zurückfordert?

Nein. "Eltern müssen kein Betreuungsgeld zurückzahlen", betont der Vorsitzende des Familienausschusses Paul Lehrieder. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat bereits eine großzügige Übergangsregelung angekündigt. Im Idealfall werden die gut 455 000 Familien in Deutschland, die die Prämie gegenwärtig bekommen, sie noch wie geplant erhalten. Neue Anträge aber werden nicht mehr genehmigt. Das Karlsruher Urteil lässt der Politik hier weitgehend freie Hand. Wie es genau umgesetzt werden soll, will die Ministerin nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub klären.

Um wie viel Geld geht es eigentlich? Und wer nutzt das Angebot bisher am stärksten?

Im laufenden Jahr hat die Koalition 900 Millionen Euro für das Betreuungsgeld eingeplant, in den beiden nächsten Jahren jeweils eine Milliarde. Mehr als die Hälfte der Mittel fließt dabei in die großen Flächenländer im Westen: Ende März bezogen in Bayern mehr als 100 000 junge Familien Betreuungsgeld, in Baden-Württemberg waren es knapp 89 000, in Hessen gut 36 000. In den Ost-Ländern Sachsen-Anhalt und Brandenburg mit ihrem vergleichsweise guten Angebot an Kinderkrippen und -tagesstätten zahlt der Bund bisher nur für 1700 bzw. 2500 Kinder Betreuungsgeld. Unter den insgesamt 455 000 Begünstigten sind übrigens nicht einmal 25 000 Väter.

Bestätigt das nicht alle Kritiker, die das Betreuungsgeld für eine "Herdprämie" halten, die Frauen nur von der Rückkehr in ihre Berufe abhält?

Diese Antwort lässt sich so pauschal nicht geben. Das im August 2013 eingeführte Betreuungsgeld haben Familie als Ausgleich dafür erhalten, dass sie für ihre ein- und zweijährigen Kinder keinen Platz in einem staatlich geförderten Kindergarten oder bei einer von der Kommune subventionierten Tagesmutter beanspruchen. Dennoch können auch in solchen Familien beide Elternteile voll berufstätig sein und die 150 Euro für ein Au-pair-Mädchen oder aber eine private Kinderkrippe verwenden.

Bayern will nun ein eigenes Betreuungsgeld einführen und fordert dafür Geld vom Bund. Zu Recht?

Diese Frage ist bisher umstritten. Schwesigs Staatssekretär Ralf Kleindiek ist der Ansicht, dass der Bund nichts bezuschussen darf, wofür er nicht zuständig ist. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt dagegen erinnert an die Milliarden, die er Bund in den Ausbau der Kinderbetreuung gepumpt hat, obwohl dies streng genommen Ländersache ist. Die harte Haltung des Familienministeriums könnte allerdings auch taktische Gründe haben: Die SPD will die 900 Millionen Euro zusammenhalten und sie in den Ausbau der Kinderbetreuung und die Ausbildung von Erziehern investierten.

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