Berlin. Mehr als eine Million Menschen sind seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine nach Deutschland geflohen. Ihre Hintergründe sind dabei ganz unterschiedlich. Eine große Studie gibt nun erstmals Auskunft darüber, wie die Menschen aus der Ukraine leben, wie es ihnen geht und wie sie sich die Zukunft vorstellen. Insgesamt wurden für die Untersuchung knapp 11 000 Ukrainerinnen und Ukrainer befragt. An der Befragung waren unter anderem das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung beteiligt.
Wer sind die Menschen aus der Ukraine?
Mit 80 Prozent machen Frauen einen Großteil der erwachsenen Geflüchteten aus der Ukraine aus. Fast die Hälfte von ihnen (48 Prozent) ist gemeinsam mit minderjährigen Kindern nach Deutschland gekommen. Gleichzeitig flohen vor allem jüngere Menschen – der Altersdurchschnitt liegt mit 28 Jahren deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung in dem Land. Ein großer Teil der Geflüchteten kommt aus den Regionen der Ukraine, die am härtesten vom Krieg betroffen sind: 32 Prozent stammen aus der Ost-Ukraine, 19 Prozent aus der Hauptstadt Kiew und 14 Prozent aus dem Süden des Landes.
Warum sind sie nach Deutschland gekommen?
Als Auslöser für ihre Flucht gaben nahezu alle Ukrainerinnen und Ukrainer einen Grund an: die Kriegshandlungen in ihrer Heimat. Für Deutschland entschieden sich viele von ihnen vor allem aufgrund von Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten, die bereits hier leben würden (60 Prozent). Für 29 Prozent der Geflüchteten war außerdem die Achtung der Menschenrechte ein wichtiger Punkt, für 22 Prozent das Wohlfahrtssystem.
Wie geht es den Geflüchteten jetzt hier?
Der Gesundheitszustand der Menschen aus der Ukraine ist weitgehend gut. Nur jede zehnte Person gab an, einen schlechten oder sehr schlechten Gesundheitszustand zu haben. Während der physische Zustand der Geflüchteten häufig gut war, litt vor allem die psychische Gesundheit. Gerade bei Kindern und Jugendlichen lag das psychische Wohlbefinden deutlich unter den durchschnittlichen Werten bei Gleichaltrigen, die in Deutschland leben. Insgesamt fühlten sich die Geflüchteten bei ihrer Ankunft jedoch größtenteils willkommen. 33 Prozent der Befragten gaben an sich voll und ganz willkommen zu fühlen, 43 Prozent überwiegend.
Welche Hintergründe haben die Ukrainerinnen und Ukrainer?
Überdurchschnittlich viele Geflüchtete aus der Ukraine haben eine hohe Bildung. Knapp drei Viertel der Personen (72 Prozent) verfügen über einen Abschluss einer Universität, Hochschule oder Berufsakademie. Bei der beruflichen Ausbildung hingegen liegt der Anteil derjenigen, die einen Abschluss vorweisen können, mit elf Prozent unter dem Durchschnitt der ukrainischen Bevölkerung. Laut der Studie muss hier allerdings beachtet werden, dass die Ausbildungssysteme in Deutschland und in der Ukraine nur bedingt miteinander vergleichbar sind.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht in der hohen Zahl an Geflüchteten mit guter Bildung eine Chance für den deutschen Arbeitsmarkt: „Das hohe Bildungsniveau und die Bereitschaft, sich schnell einzubringen, mit anzupacken und zu arbeiten, sind sehr erfreuliche Befunde – auch mit Blick auf den drängenden Arbeits- und Fachkräftemangel, den wir nur durch Zuwanderung lösen können“, sagte Faeser.
Wo leben die Geflüchteten inzwischen?
Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer leben in privaten Wohnungen und Häusern (74 Prozent). 17 Prozent der Menschen gaben an, in Hotels und Pensionen zu wohnen, nur neun Prozent kamen in Gemeinschaftsunterkünften unter. Ein Viertel der Personen, die in privaten Unterkünften leben, wohnt derzeit bei Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten in Deutschland, 15 Prozent bei anderen Personen. Etwas über die Hälfte (60 Prozent) lebt allein oder gemeinsam mit anderen geflüchteten Familienangehörigen.
Welche Perspektiven haben die Menschen?
Zum Zeitpunkt der Befragung konnten zwei Drittel der Geflüchteten (76 Prozent) eine Aufenthaltserlaubnis vorweisen. Weitere 17 Prozent verfügten über eine sogenannte Fiktionsbescheinigung, die nach dem Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt wird. Ein Großteil gab an, auch nach dem Krieg in Deutschland bleiben zu wollen. 26 Prozent wollten dabei für immer bleiben, elf Prozent zumindest für einige Jahre. 34 Prozent planen nach eigenen Angaben, Deutschland nach Kriegsende zu verlassen, die meisten von ihnen wollen in die Ukraine zurückkehren.
27 Prozent der Menschen wissen noch nicht, ob und wie lange sie in Deutschland bleiben möchten. Knapp ein Fünftel der Menschen ist außerdem bereits erwerbstätig. Weitere 78 Prozent gaben an, ganz sicher (56 Prozent) oder wahrscheinlich (22 Prozent) in Deutschland arbeiten zu wollen.
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