Ludwigshafen. Eine Gedenkfeier für Europas Ehrenbürger Helmut Kohl: Das wäre wohl auch ein politisches Statement für eine schwächelnde EU gewesen. Im Herzen seiner Geburtsstadt Ludwigshafen, am Platz der Deutschen Einheit, wollte die CDU an diesem Freitag den 2017 gestorbenen Kohl ehren. Der frühere Bundeskanzler hätte an diesem Tag seinen 90. Geburtstag gefeiert.
Doch die Corona-Krise macht die Pläne einer öffentlichen Würdigung für den engagierten Europäer zunichte. Auch eine Zeremonie zur Kranzniederlegung an Kohls Grab im Adenauerpark in Speyer wird es nun nicht geben. Das Gedenken an den Pfälzer, der den europäischen Prozess wesentlich vorangetrieben hat, wird schlichter.
Anstelle öffentlicher Feiern soll es nun unter anderem Videos der Bundesagrarministerin und CDU-Landesvorsitzenden Julia Klöckner und von Christian Baldauf, Fraktionschef der oppositionellen CDU im Landtag in Mainz, geben. „Selbstverständlich schmerzt es sehr, nicht vor Ort sein zu können“, sagt ein Sprecher der CDU Rheinland-Pfalz. Der Schutz der Bevölkerung in der Corona-Krise gehe aber vor.
Diskussion über Würdigung
Alles sei in enger Absprache mit Kohls Witwe Maike Kohl-Richter erfolgt, betont Peter Uebel, Chef der CDU-Fraktion im Stadtrat von Ludwigshafen. Auch für ihn steht der „Rekord-Kanzler“ für die Einheit Deutschlands und für die Einheit Europas. „Gerade in diesen Tagen wird uns bewusst, wie wichtig hierbei die Solidarität innerhalb unserer Wertegemeinschaften ist“, betont der Fraktionsvorsitzende.
Im stillen Gedenken wollen nun unter anderem Partei und Kommunen Kränze in Speyer niederlegen. Dort ziert ein eher schlichtes Holzkreuz die letzte Ruhestätte des Altkanzlers – wann ein Grabstein aufgestellt wird und wie er aussieht, ist unklar.
Aktuell sei von größeren Veränderungen am Grab nichts bekannt, teilen die Stadt Speyer und das örtliche Bistum mit. Zuletzt war die bisherige Umfassung aus Holz durch Pfälzischen Buntsandstein ersetzt worden.
Kurz nach Kohls Tod waren Ideen einer Würdigung des Politikers im öffentlichen Raum laut geworden. Doch die Initiative, die Ludwigshafener Rheinallee nach dem Sohn der Stadt zu benennen, scheiterte am Widerstand der Anwohner und der Geschäftsleute vor Ort.
Auch im benachbarten Frankenthal wurde das Projekt, den Rathausplatz in Helmut-Kohl-Platz umzubenennen, nach Unwillen in der Bevölkerung der pfälzischen Stadt kassiert. Mit neuen Vorstößen will die CDU behutsam sein.
Als einen „Festakt der Superlative“ hatte der Altkanzler seinen 80. Geburtstag 2010 im Theater von Ludwigshafen gefeiert. Unter den rund 800 Gästen waren der damalige Bundespräsident Horst Köhler und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie mehrere Bundesminister, einige Ministerpräsidenten und Prominenz aus Wirtschaft und Gesellschaft. Kohl absolvierte die Feier im Rollstuhl. 2008 war er in seinem Haus gestürzt, die Ärzte diagnostizierten ein Schädel-Hirn-Trauma. Seinen 85. Geburtstag feierte er 2015 im privaten Kreis in Oggersheim.
Mit Gorbatschow in Deidesheim
Privat hatte Kohl in seiner Amtszeit auch immer wieder Staatsgäste in der Pfalz empfangen. In Deidesheim erinnern Fotos an den Wänden eines Restaurants daran, dass etwa die früheren Kremlchefs Boris Jelzin oder Michail Gorbatschow und andere hier mit dem Kanzler tafelten. Nebenbei wurde Weltpolitik gemacht – die Geburt der „Saumagen-Diplomatie“.
Und was bleibt von Helmut Kohl? „Er bleibt unvergessen als Modernisierer, unter dem das Bundesland den Anschluss an die anderen Bundesländer gefunden hat“, meint die CDU in Mainz. „Als Ministerpräsident hat er Rheinland-Pfalz zu einem modernen und fortschrittlichen Bundesland weiterentwickelt.“
Auch Malu Dreyer würdigt den „rheinland-pfälzischen Europäer“ Helmut Kohl. „Sein großes diplomatisches Geschick war für das Zusammenwachsen Europas entscheidend“, sagt die SPD-Ministerpräsidentin anlässlich des 90. Geburtstags.
Und sie erinnert an Kohl als Verfechter der europäischen Idee. „An seinem Geburtstag erinnern wir auch an die Bedeutung der Stärke und des Zusammenhalts der Europäischen Union.“ dpa
Vater der Deutschen Einheit
- Helmut Kohl wurde am 3. April 1930 in Ludwigshafen geboren.
- Er starb am 16. Juni 2017 in seinem Haus in Oggersheim.
- Wenige haben die CDU so geprägt wie Kohl. 25 Jahre war er Parteichef und 16 Jahre Kanzler.
- Als „Vater der Deutschen Einheit“ ging er in die Geschichte ein.
- Dennoch schieden sich an ihm auch die Geister – auch aufgrund der Spendenaffäre. Die Affäre in den 1990er Jahren entstand, weil Kohl und sein Schatzmeister große Spenden angenommen hatten, ohne sie ordnungsgemäß zu verbuchen oder anzugeben. dpa
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