São Paulo. Wenige Stunden vor seinem Ausscheiden aus dem Amt hat der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe noch einmal mit einem Paukenschlag auf sich aufmerksam gemacht. Er erstattete offiziell Anzeige gegen seinen venezolanischen Amtskollegen Hugo Chávez wegen Unterstützung des Terrorismus. Uribe wirft Chávez vor, Kämpfern der Guerillabewegung FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) auf venezolanischem Territorium Unterschlupf zu gewähren, damit sie von dort terroristische Aktionen gegen Kolumbien planen könnten. Die Anzeige richte sich gegen die Person Chávez und auch gegen den Staat Venezuela, bestätigte Uribes Anwalt Jaime Granados. Die Deklaration wurde der Interamerikanischen Menschenrechtsorganisation der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) ausgehändigt.
Vermittler Brasilien
Nach der erneuten Eskalation des Konfliktes ruhen jetzt alle Hoffnungen auf dem neuen kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos, der am Wochenende in einem feierlichen Akt auf dem zentralen Plaza Bolivar in Bogota in sein Amt eingeführt wurde. Santos, der als enger Vertrauter Uribes gilt, sagte in seiner ersten Ansprache als Staatsoberhaupt, dass die Beilegung der Krise mit Venezuela für ihn höchste Priorität habe. Er dankte Brasilien für seine Vermittlungsbemühungen und fügte hinzu, "aber ich bevorzuge den offenen Dialog, so schnell wie möglich". Schon im Wahlkampf hatte der 59-jährige Ex-Verteidigungsminister versöhnlich Töne in Richtung Caracas geschickt.
Mit der Anzeige Uribes hat die Hoffnung auf schnelle Beilegung des außenpolitischen Konfliktes zwischen den beiden Nachbarländern allerdings einen herben Rückschlag erlitten. Venezuela hatte die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien abgebrochen, nachdem Uribe am 22. Juli 2010 dem Nachbarland schon einmal vorgeworfen hatte, der linken FARC als Rückzugsgebiet zu dienen. Chávez reagierte empört und bereitete sein Volk auf einen möglichen Krieg vor. Er versetzte die Armee in Gefechtsbereitschaft und ließ zusätzliche Truppen an der Grenze zusammenziehen.
In der achtjährigen Amtszeit Uribes hatten sich die Beziehungen zu Venezuela verhärtet. Im März 2008 standen beide Länder schon einmal am Rand eines Krieges. Damals griffen kolumbianische Truppen ein Guerilla-Lager der Rebellenbewegung FARC auf ecuadorianischem Territorium an. Verantwortlich für den Militärschlag war Verteidigungsminister Santos.
Dennoch erwarten Beobachter, dass Santos als Präsident Kolumbien aus der außenpolitischen Isolation in Lateinamerika führt und sich um einen neuen Dialog mit Venezuela bemüht. Auch Ecuador sendet ein Signal der Wiederannäherung. Um eine Beilegung der Krise zwischen den zerstrittenen Nachbarländern bemüht sich vor allem Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der von beiden Seiten als Vermittler akzeptiert wurde. Nach einem Treffen mit Lula da Silva in Caracas zeigte sich Chávez "sehr optimistisch", dass die Krise gelöst werde. "Wir sind alle Soldaten des Friedens", sagte er in Richtung Bogota. Der Präsident selbst nahm nicht an den Feierlichkeiten zur Amtsübergabe teil, schickte aber seinen Kanzler.
Zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren reiste auch der ecuadorianische Präsident Raffael Correa nach Kolumbien und bot der neuen Regierung seine "volle Unterstützung und Zusammenarbeit" an. Beide Länder hatten 2008 nach dem kolumbianischen Luftangriff auf ein FARC-Lager auf ecuadorianischem Territorium ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen.
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