Aachen. Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen hat eine Machbarkeitsstudie für eine umstrittene Panzerfabrik in der Türkei erstellt, in die der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall involviert ist.
Der türkische Unternehmer Ethem Sancak plant demnach mit seiner Firma BMC auf einer Fläche von 222 Hektar in Karasu an der Schwarzmeerküste ein Werksgelände für die Fertigung von Autos, Bussen, Motoren - und Panzern. Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall ist über ein Joint Venture mit BMC verbunden.
Detaillierte Unterlagen
Rheinmetall habe für Karasu "keine Werksplanungen entwickelt oder entwickeln lassen", beteuerte der Konzern jetzt. Doch dem Redaktionsbüro Correctiv liegen detaillierte Unterlagen zu dem Werksgelände in Karasu vor - auch aus dem Haus Rheinmetall. Auf einer Folie aus dem Jahr 2017 nennt Rheinmetall es das "BMC Karasu Projekt". Eine Halle wird auf den Folien mit "MBT" abgekürzt. MBT steht für Main Battle Tank, also Kampfpanzer.
In die Planungen für den Fabrikbau war zumindest zeitweise das Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen eingebunden. Von Mai bis September 2016 arbeitete die RWTH an einer Machbarkeitsstudie für das Werk in der Türkei. Der Auftrag sei von einer Vermittlungsfirma gekommen, nicht von Rheinmetall, sagt ein Sprecher der Hochschule auf Anfrage. Es sei zunächst nur um "Spezialfahrzeuge" gegangen. Erst später meldeten sich Vertreter von BMC - und dann war vom Bau von Panzern die Rede. Man habe den Auftrag daraufhin "frühzeitig mit einer eingeschränkten Präsentation der Ergebnisse beendet", sagt der Sprecher. Es sei "ein Fehler" gewesen, dass man die Studie erstellt habe, räumt er ein.
Rheinmetall kann Fragen zu der RWTH-Studie nach eigenen Angaben "nicht nachvollziehen". Aber gewiss ist, dass der Konzern seit 2015 mit BMC über eine mögliche gemeinsame Produktion von Panzern in der Türkei im Gespräch war. Bereits am 17. März 2016 kündigte Rheinmetall-Chef Armin Papperger ein Joint Venture zum Bau militärischer "Fahrzeugsysteme" in der Türkei an - also rund zwei Monate vor dem Auftrag an RWTH.
Dabei ist bis heute nicht völlig klar, inwieweit bei dem Karasu-Projekt deutsche Exportvorschriften beachtet werden. In der Hochschule hatte man sich, so der Sprecher, "vom vermittelnden Unternehmen bestätigen lassen, dass dies geprüft wurde".
Lücke im Gesetz
"Wenn wir mit Partnern in der Türkei einen türkischen Panzer entwickeln und bauen, dann ist die Bundesregierung daran nicht beteiligt", sagte Firmenchef Papperger bereits im März. Das Unternehmen halte sich "strikt" an die deutschen Rüstungsexportregeln, versichert Papperger.
In der Tat ist es bis heute erlaubt, ohne Genehmigung Experten für die technische Unterstützung bei der Rüstungsproduktion in Länder wie die Türkei zu entsenden. Es ist eine Gesetzeslücke, die die Bundesregierung bis heute nicht schließen will. Weder Kanzlerin Angela Merkel noch einer ihrer Minister haben das Vorgehen des Unternehmens in der Türkei bisher kritisiert.
Die Autoren sind Redakteure des Recherchezentrums Correctiv, das sich über Spenden und Mitgliedsbeiträge finanziert. Infos unter orrectiv.org
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