Washington. Dass Donald Trump mental instabil ist. Dass seine früheren Minister von Verteidigung bis Justiz vehement davor warnen, ihn jemals wieder an die Macht kommen zu lassen. Dass er keinen Plan für die Zukunft der Vereinigten Staaten hat. Das alles sind Sätze, die Fox-News-Zuschauer auf ihrem Kanal noch nie zu hören bekommen haben. Bis Dienstagabend. Da ging die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris das Wagnis ein und stellte sich dem verlängerten Medienarm der Trump-Wahlkampagne im Interview.
Eins wurde schnell klar. Eine ehemalige Generalstaatsanwältin, die in drei Wochen Amerikas erste Präsidentin werden will, in die Falle der Selbstbeschädigung zu locken, das sollte auch dem quotenstarken Haussender Trumps nicht gelingen. Auch wenn sich Moderator Bret Baier erdenkliche Mühe gab.
Durch häufiges Unterbrechen und Nichtausredenlassen, wie es einem Donald Trump bei Fox News niemals zuteil würde, wollte der Fragesteller die 59-Jährige vor allem beim heißen Eisen „illegale Einwanderung“ aus der Balance bringen.
Harris beklagte sich mehrfach über die Störungen im Redefluss, blieb aber in der Sache bei bekannten Kernaussagen: Hätte Donald Trump ein parteiübergreifend zusammengestelltes Gesetz Anfang des Jahres nicht torpediert, gäbe es heute mehr Grenzschützer und weniger tödliches Fentanyl, das via Mexiko den Weg in die Vereinigten Staaten findet. Harris gab unumwunden zu, dass das Einwanderungssystem schon vor Trump (ab 2017) kaputt gewesen sei. Frustration aufseiten derer, die für die Sicherheit an der Grenze zuständig sind, könne sie darum genauso verstehen wie die Tränen der Angehörigen von Frauen, die brutalen Asylsuchenden zum Opfer gefallen sind. „Das sind zweifelsohne tragische Fälle, die Verluste hätten nie passieren dürfen.“ Um einem Vorurteil zu begegnen, bekräftigte Harris: „Ich glaube nicht an die Entkriminalisierung von Grenzübertritten. Ich habe das als Vizepräsidentin nicht getan. Ich werde das als Präsidentin nicht tun.“
Später wurde Kamala Harris zu ihrer Position bei der Verwendung von Steuergeldern für geschlechtsangleichende Operationen für Transgender-Insassen in Justizvollzugsanstalten gefragt - ein Detail, das die Trump-Kampagne regelmäßig skandalisiert. Harris konterte mit dem Hinweis, sie werde sich an das Gesetz halten. Hintergrund: Bereits unter Trump bot das „Bureau of Prisons“ geschlechtsangleichende Behandlungen an, die vom Staat bezahlt werden.
„Keine Fortsetzung der Präsidentschaft von Biden“
Nachdem Harris zuletzt konstant den Schulterschluss mit Joe Biden geübt hatte, zeigt sie zum ersten Mal leichten Distanzierungswillen: „Meine Präsidentschaft wird keine Fortsetzung der Präsidentschaft von Joe Biden sein.“ Sie bringe ihre eigene Lebenserfahrung ein und sei Vertreterin einer neuen Führungsgeneration. Außerdem wolle sie Republikaner und ihre Ideen einladen.
Nach dem knapp 30-minütigen Schlagabtausch debattierten Analysten im Fernsehen darüber, ob Harris konservative oder parteiunabhängige Wähler, die Trump wegen seiner aggressiven Rhetorik ablehnen, mit diesem Auftritt für sich einnehmen konnte. Tenor: eher nicht. Dass sie den Schritt zu Fox News aber überhaupt wagte, sei Ausdruck ihres Selbstvertrauens.
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