Politbarometer

Große Mehrheit für allgemeine Impfpflicht

Von 
Walter Serif
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Mannheim. Die SPD hat sich bei den Koalitionsverhandlungen angeblich nicht um das Gesundheitsressort gerissen. Kein Wunder, der Gesundheitsminister steht seit Ausbruch der Pandemie besonders unter Beobachtung. Jens Spahn von der CDU hat dies am eigenen Leib erfahren müssen. Vergangene Woche sorgte er mit seinen Äußerungen zu den Booster-Impfungen für Empörung – selbst in der eigenen Partei. Spahn wollte anordnen, dass die Ärzte Moderna statt Biontech verimpfen sollten. Für diesen Dilettantismus hat er jetzt die Quittung bekommen: Spahn ist in der Bewertung der zehn wichtigsten Politiker Deutschlands der unbeliebteste. Auf der Skala von plus fünf bis minus fünf sackt er von minus 0,1 auf minus 0,9 ab. „Das ist sein bisher schlechtester Wert“, sagt Matthias Jung von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen.

Die Stimmung ist gekippt

Die Deutschen lassen zwar Spahn spüren, dass sie mit ihm als Pandemie-Manager unzufrieden sind, doch die Alarmstimmung, die gegenwärtig wegen Corona allgemein herrscht, schlägt sich bei der Sonntagsfrage kaum in den Zahlen nieder. Wenn an diesem Wochenende schon wieder eine Bundestagswahl wäre, würde sich kaum etwas ändern. Warum ist das so? „Die alte Bundesregierung kann man nicht mehr richtig zur Verantwortung ziehen, und die neue ist noch nicht im Amt. Außerdem sind an dem Corona-Management ja neben dem Bund auch die Länder und die Kommunen beteiligt“, sagt Jung.

Außer Jens Spahn gibt es also keinen, der richtig zum Sündenbock taugt. Dass aber das Corona-Management in Deutschland nach Ansicht der Bürger aus dem Ruder gelaufen ist, zeigt die Befragung auf bemerkenswerte Weise. Für 80 Prozent ist das Thema Pandemie wieder das wichtigste, ähnlich dominiert hat Corona die öffentliche Agenda im Frühjahr, damals waren es 85 Prozent. Stark gestiegen ist die Angst der Deutschen, an Corona zu erkranken. 62 Prozent der Befragten – vor zwei Wochen waren es noch 49 Prozent – machen sich jetzt Sorgen um ihre eigene Gesundheit.

Und dafür gibt es Gründe. Nur noch 30 Prozent der Deutschen sind zufrieden mit den Corona-Maßnahmen – Ende Oktober waren es noch 59 Prozent. Nur 15 Prozent halten das aktuelle Regelwerk für übertrieben. Dagegen gibt es jetzt eine knappe Mehrheit (52 Prozent) für härtere Maßnahmen. Dreiviertel der Befragten finden es zum Beispiel richtig, dass es für Ungeimpfte besonders starke Corona-Einschränkungen gibt. Auch die Stimmung bezüglich einer allgemeinen Impfpflicht hat sich im Vergleich zum Sommer gedreht. Im Juli sprachen sich nur 33 Prozent dafür aus, jetzt sind es 69 Prozent. „Es hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass sich Corona durch die Verweigerungshaltung einer kleinen Minderheit wieder so stark verbreitet hat“, sagt Jung.

Interessant ist, dass die Befragten auch ihren Mitbürgern ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Während im Oktober 2020 eine Mehrheit von 52 Prozent den Menschen ein eher vernünftiges Verhalten zuschrieben, ist es jetzt genau umgekehrt. 56 Prozent meinen, dass die Männer und Frauen zu sorglos sind, bei jungen Frauen zwischen 18 bis 34 Jahren sind es sogar 78 Prozent. „Politik und Bevölkerung gleichermaßen hätten alles gerne ein bisschen softer, weil das ja der bequemere Weg ist. Aber irgendwann gibt es dafür die Quittung“, analysiert Jung die geänderte Corona-Einschätzung, die sich in Deutschland breit macht.

3G-Regel im Büro wird begrüßt

Ganz dicht machen wollen bisher weder die politischen Entscheidungsträger noch die Bürger. Bundesweite Geschäfts- und Schulschließungen sowie Ausgangssperren sind mit dem neuen Infektionsschutzgesetz nicht mehr möglich. Das finden 58 Prozent der Befragten gut. 83 Prozent befürworten auch die 3G-Regel am Arbeitsplatz.

Gespalten sind die Bürgerinnen und Bürger, wenn es um die Weihnachtsmärkte geht, die ja zum Beispiel in Bayern verboten worden sind. Jeweils knapp die Hälfte will, dass die Weihnachtsmärkte generell abgesagt werden oder eben nicht. Bei den Älteren ab 70 Jahren gibt es eine klare Mehrheit. Knapp zwei Drittel wollen, dass man auf Glühwein und Bratwurst verzichtet.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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