Mannheim. „Es ist schön, wenn man erkannt wird.“ Joachim Gaucks Reaktion auf die Laudatio, die der ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin gerade auf ihn gehalten hat, zeigt, dass er sich in dieser wiederfindet. Nida-Rümelin hatte den Alt-Bundespräsidenten zuvor nicht nur als dem Freiheitsthema Verschriebenen gezeichnet. Gauck habe auch einen existenziellen Ton in die Politik zurückgebracht – und stets darauf geachtet, dass die Extreme nicht überhandnehmen. Über die Skizzierung seiner Person zeigt sich der Geehrte hoch erfreut – ebenso wie über die Auszeichnung mit dem Carlo-Schmid-Preis.
Aus der Feierstunde, die am Samstagnachmittag anlässlich der Preisverleihung im Mannheimer Schloss veranstaltet wird, werden dann doch zwei Stunden – so viel gibt es über Carlo Schmid, Joachim Gauck und den Zustand unserer Demokratie zu sagen. Siegmar Mosdorf, der Vorstandsvorsitzende der SPD-nahen Carlo-Schmid-Stiftung, die den Preis verleiht, erinnert zu Beginn daran, dass der Staatsrechtler Schmid einst das Grundgesetz der Bundesrepublik mitgestaltete und sich als deutsch-französischer Charakter für die Verständigung zwischen den beiden Ländern einsetzte. Mit Joachim Gauck erhalte nun ein „Brückenbauer zwischen Ost und West – nicht nur in Deutschland, auch in Europa“ den Carlo-Schmid-Preis – ebenso wie einst Hans-Dietrich Genscher (FDP) und Helmut Schmidt (SPD).
Mannheims OB Dr. Peter Kurz weist darauf hin, dass der Sozialdemokrat Schmid 23 Jahre lang direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Mannheim war und als solcher stets „die Nähe zu den Menschen gesucht“ habe. Dies sei ihm auch vom Mannheim-Besuch des damaligen Bundespräsidenten Gauck 2013 in Erinnerung, bei dem dieser sich zugleich etwa für die Situation der Sinti und Roma interessiert habe: „Ihm war das ganze Mannheim wichtig, nicht nur die Vorzeigeseiten unserer Stadt.“Auch Nida-Rümelin betont in seiner Laudatio, dass der Freiheitsgedanke bei Gauck stets mit Verantwortlichkeit einhergehe: Nur dort, wo alle gleichermaßen an Bildung teilhaben könnten, sei auch autonomes Handeln für alle möglich. Der Philosoph hebt außerdem die Rhetorik des Preisträgers hervor: „Er zeigt, dass Rhetorik kein Talent ist, sondern dass sie auf dem Willen zur Kommunikation beruht.“
Wie redegewandt er ist, stellt Gauck dann auch hinreichend unter Beweis. Bei seinem Blick auf den Zustand der Demokratie schweift er immer wieder in die freie Rede ab, um dann elegant den Bogen zu seiner vorbereiteten Dankesrede zurückzuschlagen. Und es gelingt ihm in Windeseile, die Zuhörer mit seiner Begeisterung anzustecken: „Wir sind nicht nur das Land des Wirtschaftswunders, sondern auch des Demokratiewunders“, sagt er. In Zeiten, in denen populistische Parteien Erfolge verzeichnen, müssten wir uns jedoch daran erinnern, dass Demokratien nicht auf immer gesichert sind. Furcht sei indes fehl am Platz – Gauck rät Politikern vielmehr dazu, eine einfachere Sprache zu sprechen, um mehr Menschen zu erreichen, und keine Scheu vor heftigen Debatten zu zeigen. „Wir brauchen doch keine Angst vor Populisten zu haben!“
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