Energie

Gas-Notfallplan: Was die Nachbarn tun

Erhöhung des Mindestlohns, Mietpreisbremse, Tankrabatt, Energiegutschein – wie die Regierungen in der EU reagieren

Von 
Gerd Höhler
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Nicht nur die Regierung in Deutschland hat auf die hohen Benzinpreise reagiert: Tankrabatte, Benzingutscheine oder die Senkung der Mineralölsteuer – die Autofahrer profitieren von diesen Maßnahmen. © dpa

Berlin. Der Gas-Notfallplan der EU ist in Kraft, die Verbraucher stöhnen über die Preise beim Einkauf und vor allem die Kosten für Gas und Strom steigen und steigen. Die Inflation wächst besorgniserregend. Die Bundesregierung plant ein drittes Entlastungspaket. Aber wie sieht es in anderen europäischen Ländern aus?

Italien: Der Nachbar ist ähnlich wie Deutschland abhängig von russischem Erdgas und kämpft gegen eine heftige Teuerungswelle. Die scheidende Regierung um Premier Mario Draghi hat vergangene Woche ein neues Hilfspaket im Wert von 14,3 Milliarden Euro gebilligt. Das Kabinett will einen 200-Euro-Bonus, der im Juli an Italiener mit niedrigem und mittlerem Einkommen gezahlt wurde, auch auf Selbstständige ausweiten. Eine Senkung der Benzinsteuer, dank der die Spritpreise unter der Zwei-Euro-Marke pro Liter gedrückt bleiben, wird bis 20. September verlängert.

Um die Kaufkraft älterer Menschen zu stützen, will die Regierung eine für 2023 vorgesehene Aufwertung der Pensionen um zwei Prozent auf Oktober vorziehen, was die Staatskassen rund 2,4 Milliarden Euro kosten wird. Zur Finanzierung der Maßnahmen hat die Regierung eine Übergewinnsteuer – die Steuer auf die sogenannten Extraprofite der Stromerzeuger – eingeführt. Zwischen zehn und elf Milliarden Euro sollten durch eine 25-prozentige Übergewinnsteuer von Energiekonzernen eingenommen werden, die vom drastischen Anstieg der Öl- und Gaspreise profitiert haben.

Frankreich: Auch die Franzosen stöhnen über die Folgen der Inflation, obwohl die Teuerungsrate um zwei Prozentpunkte unter dem Schnitt in der EU liegt. Der Hauptgrund: Im Frühjahr deckelte Präsident Emmanuel Macron die Preise für Gas und Strom, die seit Jahresbeginn nur um vier Prozent gestiegen sind und von den staatlichen Energieversorgern bis Ende Juli nicht erhöht werden durften.

Zudem wurde jetzt ein Gesetz zur Stärkung der Kaufkraft verabschiedet, das weit über diese Maßnahme hinausgeht. So werden nun rückwirkend ab dem 1. Juli alle Sozialleistungen und die Renten um vier Prozent angehoben, die Mietpreiserhöhungen auf maximal 3,5 Prozent begrenzt, der Tankrabatt ab dem 1. September von 18 auf 30 Cent erhöht, die Rundfunkgebühr abgeschafft und die Deckelung der Energiepreise bis zum Jahresende verlängert. Die Entlastungen erreichen dadurch eine Höhe von rund 60 Milliarden Euro, über deren Finanzierung Unklarheit herrscht. Steuererhöhungen hat Macron ausgeschlossen, sein Finanzminister Bruno Le Maire eine Übergewinnsteuer.

Österreich: Ein teurer Herbst wird es werden. Das ist klar. Aber auch politisch wird es hoch hergehen. Im Herbst werden Präsidentenwahlen stattfinden. Die Inflation liegt bei 9,2 Prozent, der Reallohnverlust beträgt 4,2 Prozent. Und noch ist kein Ausweg aus der Energiemisere in Sicht. 80 Prozent des Gases hatte Österreich bisher aus Russland bezogen. Und anstatt diese Abhängigkeit abzubauen, ist sie angesichts von Hamsterkäufen für den Winter zuletzt sogar noch gestiegen. Im Rahmen des ersten Entlastungspakets wurden zunächst Energiegutscheine für Haushalte in Höhe von 150 Euro sowie eine einmalige Zusatzauszahlung der Familienbeihilfe von 180 Euro pro Kind und Haushalt beschlossen. Sie gingen an vier Millionen Haushalte. Im Herbst sollen nun zusätzliche Zuschüsse kommen. Etwa eine Einmalauszahlung von 300 Euro an Geringverdiener, Menschen mit niedriger Rente und Arbeitslose sowie einen Bonus von 500 Euro für alle Erwachsenen, der sich aus Klimabonus und Antiteuerungsbonus zusammensetzt. Letzterer ist bei einem hohen Einkommen zu versteuern. Zudem wird im August ein einmaliger Zuschlag von 180 Euro zur Familienbeihilfe überwiesen. Auch ein einmaliger Teuerungsabsetzbetrag für Geringverdiener in Höhe von 500 Euro, die vorgezogene Erhöhung des Familienbonus auf 2000 Euro und ein erhöhter Kindermehrbetrag gehören zu den Entlastungsmaßnahmen.

Portugal: Viele deutsche Portugal-Besucher haben es diesen Sommer gemerkt: Das beliebte Urlaubsland ist kein günstiges Reiseziel mehr. Die Inflationsrate lag im Juli bei 9,4 Prozent. Die Preise für Essengehen, Hotels und Benzin sind in Portugal sogar noch viel stärker geklettert – der Urlaub ist gegenüber 2021 um bis zu 30 Prozent teurer geworden. Diese Preisspirale macht den Einheimischen noch sehr viel mehr zu schaffen als den Touristen. Ein Portugiese verdient im Schnitt weniger als die Hälfte dessen, was ein deutscher Arbeitnehmer nach Hause bringt. Und die Entlastungspakete der Regierung in Lissabon sind bisher eher bescheiden. Zu den wesentlichen Punkten des aktuellen Hilfspaketes gehört eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 705 Euro (bei 14 Monatszahlungen). Zudem ein kleiner monatlicher Benzingutschein von 20 Euro – Touristen haben darauf jedoch kein Anrecht. Und eine Subventionierung des Strompreises durch eine Senkung der Energiesteuern sowie durch eine Deckelung des Marktpreises für jenes Gas, das in Kraftwerken zur Stromerzeugung verbrannt wird.

Spanien: Die Regierung von Premier Pedro Sánchez hat bereits mehrere Milliardenpakete geschnürt, um die Folgen der Preis- und Energiekrise abzufedern. Die Inflationsrate liegt in Spanien bei 10,8 Prozent im Juli. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist eine Mietpreisbremse, die die Erhöhung der Wohnungsmiete auf zwei Prozent begrenzt. Daneben wurden zahlreiche Hilfen für jene beschlossen, die von Armut bedroht sind, was für rund ein Viertel aller Familien zutrifft. Noch im Februar, als Spaniens Inflationsrate schon bei 7,5 Prozent lag, wurde der monatliche Mindestlohn auf 1000 Euro angehoben, die Sozialhilfesätze wurden um 15 Prozent erhöht.

Griechenland: Die griechische Regierung greift tief in die Staatskasse, um den Energiepreisschock für die Bürger abzufedern – wohl nicht zuletzt, weil im Frühjahr 2023 ein neues Parlament gewählt wird. 7,7 Milliarden Euro hat Finanzminister Christos Staikouras im ersten Halbjahr für die Subventionen lockergemacht, weitere 1,1 Milliarden werden allein im August für die Deckelung der Strompreise fällig.

Der Staat zahlt allen privaten Haushalten, unabhängig vom Einkommen oder der Höhe des Stromverbrauchs, eine Subvention von 337 Euro pro Megawattstunde (MWh). Der Preis für die Kilowattstunde (kWh) sinkt dadurch für den Verbraucher von rund 50 Cent pro kWh auf etwa 16 Cent. Damit werden rund 90 Prozent der Strompreiserhöhungen aufgefangen. Auch an der Tankstelle schießt der Finanzminister zu. Auto- und Zweiradfahrer bekommen pro Monat einen Treibstoffpass. Der Zuschuss beträgt 60 bis 70 Euro für Motorradbesitzer und 80 bis 100 Euro für Autohalter. Finanziert werden die Subventionen zu einem Teil aus einer Übergewinnsteuer: Die Übergewinne der Stromversorger werden außerdem mit einer 90-prozentigen Sondersteuer abgeschöpft.

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