Interview

Franziska Brantner über billigeres Benzin, den Waffen-Ringtausch und Kanzler Scholz

Von 
Walter Serif
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Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner. © Christoph Blüthner

Mannheim. Die Ukraine bekommt schwere Waffen von Slowenien. Deutschland liefert dafür Ersatz. Grünen-Staatssekretärin Franziska Brantner erklärt, wie der Ringtausch funktioniert.

Frau Brantner, sind Sie zu einem Fracking-Fan geworden?

Franziska Brantner: Nein, wie kommen Sie denn darauf?

Sie besuchen gleich die Deutsche Rohstoff AG in Mannheim. Und diese besitzt in den USA Firmen, die Öl und Gas mit der in Deutschland immerhin verbotenen Fracking-Methode fördern.

Brantner: Als Staatssekretärin ist es doch normal, dass ich mich mit den Akteuren im Energiebereich treffe und austausche. Aber deshalb bin ich längst kein Fan von Fracking.

Ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck reist nicht nach Katar, um nur mit den Scheichs zu reden, sondern um Vertragsschlüsse der Unternehmen anzubahnen.

Brantner: Es ging in Katar um zwei Dinge: Erstens muss Deutschland sehr kurzfristig Alternativen für russisches Gas beschaffen, damit wir uns aus den russischen Importen lösen. Zweitens wollen wir klimaneutral werden und brauchen dafür Wasserstoff, auch aus Importen. Daher wollen wir die Energiezusammenarbeit auch auf diesen Bereich erweitern.

Die Europa-Expertin

  • Franziska Brantner wurde am 24. August 1979 in Lörrach nahe der Schweizer Grenze geboren. Sie wuchs im südbadischen Neuenburg auf, ihr Abitur machte Brantner in Freiburg.
  • Brantner studierte Politikwissenschaften mit den Schwe-punkten Internationale Beziehungen und Europapolitik in Paris und New York und promovierte an der Uni Mannheim.
  • Bei der Europawahl gewann sie ein Mandat für die Grünen. 2013 wechselte sie in den Bundestag (Wahlkreis Heidelberg). 2017 wurde die Politikerin wiedergewählt, im September 2021 holte die Europa-Expertin sogar das Direktmandat für ihre Partei.
  • Sie ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium

Habeck will aber auch Flüssig-Erdgas aus den USA ordern, das die Rohstoff AG im Angebot hat.

Brantner: Ich bin hier wirklich nicht auf Einkaufstour. Richtig ist aber, dass wir alternative Lieferländer brauchen, weil wir die gefährliche Abhängigkeit vom russischen Erdgas beenden wollen. In den vergangenen Jahren wurde die Abhängigkeit von russischen Energieimporten leider weiter erhöht, wir ändern jetzt die Laufrichtung und tun alles, um uns Sparte für Sparte und Schritt für Schritt von russischen Importen zu lösen. Leider können wir die Lücke nicht schnell genug mit den erneuerbaren Energien schließen, weil die letzten Bundesregierungen beim Ausbau in den vergangenen Jahren nicht erfolgreich waren. Das liegt auch daran, dass die Genehmigungsverfahren - zum Beispiel für Windanlagen - viel zu lange dauern. Und auch beim Wasserstoff müssen wir viel besser werden. Das gehen wir jetzt alles an.

Zur Not geht es also nicht ohne Fracking-Erdgas?

Brantner: Wir versuchen erstmal, alle anderen Wege zu gehen.

Plagt es Sie als Grünen-Politikerin, dass Sie auch auf die umweltfeindliche Kohle setzen müssen?

Brantner: Ja. Wir haben ein bitteres Erbe von den früheren Regierungen übernehmen müssen. Es ist nicht nur die große und verheerende Abhängigkeit von russischem Erdgas, die uns knebelt. Es hängt auch die ganze Infrastruktur dran. Also Pipelines, Speicher, beim Öl die Raffinerien. Das schränkt unseren Handlungsspielraum massiv ein. Deshalb müssen wir schnell die Erneuerbaren ausbauen, beim Gas diversifizieren, aber vor allem auch Energie sparen und effizienter werden.

Ist es dann so clever, dass die Ampelkoalition jetzt das Benzin für drei Monate billiger machen will?

Brantner: Wir müssen die soziale Seite im Blick haben, auch Pendler, Handwerker, Lastkraftfahrer, die unsere Lebensmittel transportieren, haben mit den hohen Preisen zu kämpfen. Vor allem investieren wir zusätzlich in Energieeffizienz und entlasten nicht nur die Autofahrer, sondern bieten ein Neun-Euro-Ticket an, so dass es einen Anreiz gibt, auf den Nahverkehr umzusteigen.

Was sagen Sie den Kritikern, die meinen, dass das nichts bringt, weil kein Bus im Dorf hält?

Brantner: Erstens: Mir ist bewusst, dass nicht jeder einfach umsteigen kann. Deshalb haben wir ja neben der Reduktion beim Benzinpreis auch die Energiekostenpauschale, die Menschen insgesamt bei den hohen Kosten unter die Arme greift. Und wir kämpfen dafür, dass es höhere Regionalisierungsgelder gibt, also finanzielle Unterstützung vom Bund für den Nahverkehr.

Die militärische Lage der Ukraine wird immer verzweifelter. Selbst in der eigenen Koalition wird deshalb die Kritik an Kanzler Olaf Scholz größer. Wie finden Sie das?

Brantner: Wir befinden uns in einer sehr ernsten Lage. Menschen in der Ukraine sterben, viele sind auf der Flucht, und in einer solchen Lage tun wir gut daran zusammenzustehen. Die Notwendigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine ist nicht nur gegeben, sondern auch dringlich. Daher ist es richtig, dass der Kanzler deutlich gemacht hat, dass im Ringtausch, das heißt im internationalen Verbund, schnell und pragmatisch das Gerät geliefert werden kann, was unmittelbar einsatzfähig ist und in dieser neuen Phase des Krieges gebraucht wird.

Auch ihr Parteikollege Anton Hofreiter arbeitet sich an Scholz ab, wirft ihm Führungsschwäche vor. Was halten Sie davon?

Brantner: Seine Kritik entzündet sich ja an der Frage der Waffenlieferungen. Und hier arbeiten wir als Bundesregierung daran, Qualität und Quantität der Waffenlieferungen zu steigern.

Wirklich? Bisher ist das doch alles im Zeitlupentempo abgelaufen.

Brantner: Das nehme ich anders wahr. Aber klar ist, dass wir uns mit unseren Partnern in der Nato abstimmen müssen. Und dass immer wieder neu, weil sich die Phasen des Krieges ändern. Jetzt setzen wir das um, was wir gemeinsam im internationalen Verbund der Ukraine an Unterstützung leisten können.

Bekommt sie jetzt schwere Waffen aus Deutschland oder nicht?

Brantner: Nochmal: Wir liefern im internationalen Verbund das, was schnell einsatzfähig ist und was der Ukraine hilft. Wir machen da einen Ringtausch. Es gibt in einigen osteuropäischen Ländern Waffen aus der Sowjetzeit, die sofort in der Ukraine einsatzfähig sind. Zum Beispiel in Slowenien. Diese schweren Waffen gehen in die Ukraine und werden dann durch Militärgerät ersetzt, das wir liefern.

Warum hat Bundeskanzler Olaf Scholz das nicht am Dienstagabend so kommuniziert?

Brantner: Das hat er in einer Pressekonferenz getan.

Mit Verlaub, das hat keiner der Journalisten so verstanden.

Brantner: Wissen Sie, ich mache jetzt keine Textexegese. Ich berichte Ihnen nur, was wir als Bundesregierung, und an deren Spitze steht Olaf Scholz, machen.

Sie sprechen aber zumindest eine klarere Sprache als der Kanzler.

Brantner: Also ich spreche meine Sprache.

Bei den schweren Waffen hat Deutschland nach Ihren Worten einen Kurswechsel vollzogen, können Sie einen solchen beim Thema Embargo auf russisches Erdgas ausschließen?

Brantner: Wenn wir wüssten, dass nach einem totalen Gas-Embargo morgen der Krieg vorbei wäre, wären wir die ersten, die uns dafür einsetzen würden. Aber wie es aussieht, würde Deutschland ein totales Embargo mehr schaden als Russland.

Der Ökonom Moritz Schularick bestreitet dies, er meint, dass Putin das Geld für die Finanzierung des Kriegs braucht. Und er meint auch, dass ein Embargo für unsere Wirtschaft handhabbar wäre.

Brantner: Putins Kriegsmaschine läuft auch so. Aber natürlich helfen die Gelder dem Staatshaushalt auf die Dauer, sonst würde er uns das Gas ja schenken, und das macht er sicher nicht. Aber die Auswirkungen eines vollen Gas-Embargos wären im nächsten Herbst und Winter bei uns sehr einschneidend.

Der Ökonom meint aber auch, dass die Folgen für die Wirtschaft größer wären, wenn der Krieg noch länger dauert. Wie sehen Sie das?

Brantner: Er könnte auch mit einem Embargo lange dauern. Von daher ist das eine reine Spekulation.

Die Politik ist auf die Bedürfnisse der Wirtschaft eingegangen, die sich enorm für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 eingesetzt hat. Rächt sich das jetzt?

Brantner: Ich war immer gegen die Pipeline, weil dadurch die Abhängigkeit von Russland zu groß wird. Das Projekt war geopolitisch schon immer ein Fehler. Ich habe die Meinung von Teilen der Wirtschaft in diesem Punkt nie geteilt. Mein Doktorvater Thomas König von der Universität Mannheim hat mal eine spannende Analyse gemacht. Er hat untersucht, was von den düsteren Vorhersagen der Automobilindustrie in der Vergangenheit eingetreten ist.

Nichts?

Brantner: Ja, weder hat der Gurt das Auto kaputt gemacht noch der Katalysator. Da muss man als Politikerin also schon vorsichtig sein.

Da haben Sie mir ja die Vorlage geliefert: Die Wirtschaft sagt ja auch, dass sie untergeht, wenn das Gasembargo kommt.

Brantner: Das Thema hat eine andere Fallhöhe. Damit darf man nicht fahrlässig umgehen. Das betrifft nicht nur die Industrie, sondern auch die Haushalte. Ein Gasembargo bedeutet nicht nur, dass wir Probleme mit dem Heizen bekommen, in sehr vielen Produkten steckt Gas drin, das betrifft verschiedene Industriezweige bis hin zur Lebensmittelindustrie, und das darf man nicht klein reden. Neben dem Ausbau der Erneuerbaren und Energieeinsparung ist die Aufgabe auch, alle Gas-basierten Produkte durch fossilfreie zu ersetzen. Den Unternehmen, die das jetzt durch Innovationen schaffen, gehört der Markt von morgen.

Seit dem Krieg sind die Energiepreise drastisch gestiegen und ein starker Treiber der Inflation. Haben Sie Angst, dass es in Deutschland zu ähnlichen Protesten kommen könnte wie in Frankreich? Die rechtsextreme Präsidentschaftskandidatin Marine le Pen hat die Inflation zu einem Wahlkampfthema gemacht.

Brantner: Die Energiepreise stiegen nicht erst seit Kriegsbeginn, sondern seit letztem Herbst drastisch, unter anderem, weil aus Russland wesentlich weniger Gas kam. Putin hat den Krieg gut vorbereitet, da er an hohen Preisen viel verdient. Zu Frankreich: Dort ist die Kaufkraft schon seit Jahrzehnten eines der wichtigsten Themen. Und nein, ich glaube nicht, dass dies auf Deutschland so zu übertragen ist. Aber wir müssen diese Krise sozial abfedern und haben deswegen auch ein Entlastungspaket geschnürt.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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