Brüssel. „Könnten Sie 72 Stunden überleben?“ Mit dieser Frage ist ein Onlinetest überschrieben, durch den finnische Bürger herausfinden sollen, ob sie in der Not drei Tage lang durchhalten könnten, etwa wenn es wegen eines militärischen Konflikts weder Strom noch Wasser gibt. In Schweden verschickte derweil die Regierung vor wenigen Monaten an alle Haushalte die Broschüre mit dem Titel „Wenn Krisen oder ein Krieg kommt“, in der sie empfiehlt, Wasservorräte anzulegen oder ein batteriebetriebenes Radio anzuschaffen. Die Kampagnen waren Inspiration für die „Strategie zur Vorbereitung auf kriegsbedingte Krisen“, die die EU-Kommission nun vorlegte. Sie umfasst 30 Maßnahmen zur Abwehrbereitschaft und Resilienz.
Eigentlich fallen solchen Initiativen in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. Doch die Behörde will mit dem Vorstoß die Länder motivieren, koordiniert zu handeln und Vorkehrungen zu treffen. „Das Dach reparieren, solange die Sonne noch scheint“ – so nannte es die EU-Vizekommissionspräsidentin Roxana Mînzatu am Mittwoch in Brüssel und betonte gleichzeitig, dass die EU ihre Denkweise in Sachen Sicherheit ändern müsse.
Notfalltasche mit Streichhölzern, Ausweispapieren und Medikamenten
Eine der Empfehlungen an Europas Bürger lautet, einen Notvorrat anzulegen, damit sie sich mindestens drei Tage lang selbst versorgen können. Auch sie persönlich sei gewappnet, verkündete Hadja Lahbib, die EU-Kommissarin unter anderem zuständig für Krisenmanagement, bei der Pressekonferenz. Die Belgierin habe alle Zutaten zu Hause, um jederzeit Pasta mit Tomatensauce, Kapern und Oliven zu kochen.
Tipps für Vorräte
- Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt, einen Vorrat für drei Tage anzulegen. Damit können kurze Unterbrechungen des Alltags gut bewältigt werden. Wer Sie sich noch mehr absichern möchte, kann auf für eine Woche bis zehn Tage vorsorgen.
- 2 Liter Wasser pro Person und Tag , davon mindestens 1,5 Liter zum Trinken. Der Rest ist für Kochen und Hygiene nötig.
- Welches Essen? Reicht Ihnen vorübergehend eine einfache Versorgung oder ist Ihnen abwechslungsreiches Essen wichtig? Daran können Sie Menge und Vielseitigkeit Ihres Vorrats ausrichten. Wichtig ist, auf Folgendes zu achten:
- Haltbarkeit. Essen, das nicht gekühlt werden muss, hält länger, zum Beispiel wenn aufgrund eines Stromausfalls Kühlschrank und Gefriertruhe nicht mehr funktionieren.
- Fertig. Essen, das nicht (mehr) gekocht werden muss, kann gut genutzt werden, wenn bei einem Stromausfall der Herd nicht mehr funktioniert.
- Kurze Kochzeit. Essen, das mit wenig Energie gekocht werden kann, ist hilfreich, wenn Sie bei einem Stromausfall auf Gaskocher oder Grill ausweichen. So hält die wertvolle Energie länger.
- Ebenfalls in den Notvorrat gehören Medikamente, Verbandsmaterial, eine Taschenlampe mit Batterien, Streichhölzer und – ganz wichtig: ein Radio. Ausführliche Checklisten finden Sie im Internet unter: https://tinyurl.com/2wrjcswj
In einem kleinen Video präsentierte sie außerdem eine Notfalltasche: Streichhölzer, Ausweispapiere, Medikamente, Taschenlampe, ein Messer, Bargeld, Vitaminriegel oder Dosenessen – es seien solche Gegenstände, die es brauche, „um 72 Stunden zu überleben“. Kinder sollen darüber hinaus bereits in der Schule lernen, wie sie sich in Notfällen zu verhalten haben. Zudem geht es um eine verstärkte Überwachung von Fake News sowie darum, strategische Reserven anzulegen, etwa in Sachen Energieversorgung. Der Plan „bezieht politische Akteure auf allen Ebenen ein, aber auch Bürger, Unternehmen und die Zivilgesellschaft“, sagte Mînzatu.
Ob Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Brände, Cyberangriffe, Krieg oder Gesundheitskrisen wie eine Pandemie – die heutigen Bedrohungen seien laut Lahbib „schnell, komplex und miteinander verknüpft“. Deshalb will sie einen „nationalen Vorbereitungstag“ in der Gemeinschaft einführen, um die Menschen für mögliche Krisensituationen zu sensibilisieren. Handelt es sich um notwendige Prävention oder Panikmache? Es sei das „Gegenteil von Panik“, befand Lahbib. Man wolle den Bürgern Sicherheit geben.
Bessere Versorgungsketten für den Krisenfall
Die Kommission fordert etwa, die Versorgungsketten zu stärken. Nach den Erfahrungen während der Corona-Pandemie, als Lieferketten unterbrochen waren, will man nun erreichen, langfristig kritische Lieferungen und Ressourcen sicherzustellen. Dazu zählt auch die Schaffung eines robusteren Netzes an Notfallreserven und eine verstärkte digitale Kommunikationsinfrastruktur.
Zudem plant die Kommission, noch mehr in Forschung und technologische Lösungen zu investieren, um Risiken besser erkennen und schneller darauf reagieren zu können. „Frühwarnsysteme können verhindern, dass von Waldbränden betroffene Regionen wertvolle Zeit verlieren“, sagte etwa EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont lobte das Papier. Vorsorge sei „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle in die Verantwortung nimmt“. Auch der sozialdemokratische EU-Parlamentarier Tobias Cremer sprach von „wichtigen und überfälligen“ Schritten, „insbesondere in Zeiten hybrider Bedrohungen durch Russland und angesichts der Zunahme von Naturkatastrophen infolge des Klimawandels“. Doch ihm fehlten Maßnahmen für ein „starkes Miteinander“ sowie für wirtschaftliche Gerechtigkeit. „In einer Ära hybrider Kriegsführung und gezielter Desinformation ist der soziale Zusammenhalt ebenso sicherheitsrelevant wie Verteidigungsausgaben oder Investitionen in den Zivilschutz.“
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