Berlin. Langsam, aber stetig klettert die Inflationsrate herunter von den Rekordhöhen des letzten Jahres, der Gipfel scheint überschritten. Für viele Mieter und Mieterinnen ist das nur ein schwacher Trost: Manche haben bereits eine saftige Mieterhöhung erhalten, bei anderen steht sie noch aus. Denn wer einen Indexmietvertrag abgeschlossen hat, muss damit rechnen, dass sein Vermieter die Teuerungsrate eins zu eins weitergibt. Im vergangenen Jahr stiegen die Verbraucherpreise im Schnitt um 7,9 Prozent. Für Mieterinnen und Mieter kann das entsprechend je nach Miete eine Erhöhung im hohen zweistelligen oder gar dreistelligen Bereich darstellen – pro Monat.
Für gewöhnlich sind hohe Mietsteigerungen in angespannten Wohnungsmärkten begrenzt. Maximal um 15 Prozent dürfen die Mieten dort binnen dreier Jahre steigen, so sieht es die Mietpreisbremse vor. Indexmietverträge aber fallen nicht unter diese Regelung. In Zeiten niedriger Inflation können Mieter von diesem Prinzip profitieren. Steigt die Inflation aber, kann es schnell teuer werden.
„Wird ein Schock für Mieter“
Dass sich jetzt auf einen Schlag für viele Menschen die Miete erheblich verteuern kann, ist ein Problem, finden die Grünen – sie wollen Indexmieten darum künftig stärker regulieren. „Die Inflation ist so stark gestiegen, dass es für viele Mieter ein Schock wird, wenn die Erhöhung kommt“, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge unserer Redaktion. Sie will mit den Koalitionspartnern aus SPD und FDP besprechen, wie die Politik eingreifen kann. „Das kann zum Beispiel heißen, dass bestehende Indexmietverträge gedeckelt und neue härter reguliert werden. Wir brauchen an dieser Stelle eine Lösung.“
Applaus dafür gibt es vom Mieterbund. „Es heißt immer, dass in Jahren ohne Inflation die Mieter profitiert hätten“, sagte Präsident Lukas Siebenkotten unserer Redaktion. Das stimme nur in der Theorie. „In der Praxis beobachten wir aber, dass Indexmietverträge vor allem dann abgeschlossen wurden, wenn die angebotene Miete bereits sehr hoch gewesen ist. Insofern mussten diese Mieterinnen und Mieter bereits eine Miete, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete lag, akzeptieren und erhalten nun zusätzlich kräftige Mietsteigerungen.“
Der Mieterbund geht von einer hohen Zahl von Betroffenen aus. Nach Angaben des Verbands wird in den sechs größten deutschen Städten bei jeder dritten Neuvermietung ein Indexmietvertrag abgeschlossen, der Berliner Mieterverein geht von einer noch höheren Quote aus. Offizielle Zahlen gibt es nicht.
Beim Vermieterverband Haus & Grund sieht man auch deshalb keinen Handlungsbedarf. „Indexmieten sind wahrlich nicht das Problem für Mieterinnen und Mieter und für Wohnungssuchende“, sagte Haus-&-Grund-Präsident Kai Warnecke unserer Redaktion. Er spricht von einem „Horrorszenario“ ohne Grundlage, die Zahlen des Mieterbunds seien „unbrauchbar“. „Indexmieten bedeuten keine automatischen Mieterhöhungen“, erklärte Warnecke. „Sie müssten Jahr für Jahr händisch vorgenommen werden.“ Die Probleme des Wohnungsmarktes lägen vor allem darin, „dass es schlicht und einfach zu wenige Wohnungen gibt“. Neubau sei derzeit unwirtschaftlich, dazu kämen die gestiegenen Energiepreise. „Die Arbeitsfelder der Bundesregierung sind folglich der Wohnungsneubau und die Energieversorgung“, sagte er.
Allein: Es tut sich wenig – und das im gesamten Sektor der Wohnungspolitik. Grund dafür ist offenbar eine regierungsinterne Blockade: SPD und Grüne werfen FDP-Justizminister Marco Buschmann vor, bei Themen wie einer Verlängerung der Mietpreisbremse und der Senkung der sogenannten Kappungsgrenze nicht zu handeln, obwohl beides schon im Koalitionsvertrag festgehalten ist.
Differenzen in der Regierung
Die Mietpreisbremse läuft nach aktueller Gesetzeslage 2025 aus, die Ampel will sie bis 2029 verlängern. Gleichzeitig soll die Kappungsgrenze, die festlegt, um wie viel Prozent die Miete innerhalb von drei Jahren steigen darf, in angespannten Lagen von 15 auf 11 Prozent gesenkt werden. Auch soll der Betrachtungszeitraum bei der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete ausgeweitet werden – dies dürfte sich ebenfalls bremsend auf die Mietentwicklung auswirken.
Diese Punkte wären relativ einfach umzusetzen. Dass es trotzdem bisher nicht geschehen ist, liegt daran, dass Buschmann die Mietenpolitik verknüpft haben soll mit einem anderen Feld: Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass der Justizminister Druck aufbauen will auf die SPD, damit Innenministerin Nancy Faeser ablässt von ihrem Versuch, eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung einzuführen.
Die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Katrin Helling-Plahr, nimmt Buschmann in Schutz: „Die von uns Liberalen eigentlich nicht favorisierte Mietpreisbremse wird vor Auslaufen verlängert“, sagte sie. „Ob allerdings jetzt oder in einem halben Jahr, macht für Mieter keinen Unterschied.“
SPD und Grünen riet sie, „lieber ihren eigenen Ministern auf die Finger zu schauen“, statt sich in „Phantomdebatten“ zu verlieren. „Denn dem Ziel der Bundesregierung, 400 000 neue Wohnungen im Jahr zu schaffen, hinkt diese weit hinterher.“ Das hatte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) kürzlich selbst eingeräumt – und das Ziel für dieses Jahr abgeräumt.
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