Berlin. Volker Wieker weiß, wovon er spricht. Der Generalinspekteur der Bundeswehr war dabei, als deutsche Soldaten halfen, den brüchigen Frieden in Bosnien zu sichern, er hat die internationale Militärbrigade im Kosovo als Kommandeur geführt und für ein paar Monate als Stabschef der Schutztruppe in Afghanistan gedient. Über das, was auf seine Soldaten jetzt zukommt, macht der 54-Jährige sich keine Illusionen, "Jeder Einsatz", sagt Wieker lakonisch, "birgt Gefahren und Risiken."
Dass kurz vor der Entscheidung des Bundestages über den Syrien-Einsatz ein Schreiben des Generalinspekteurs bekannt wurde, in dem er den Ausrüstungsstand als "unbefriedigend" charakterisiert und ein düsteres Bild vom Zustand der Tornado-Flotte zeichnet, ist allerdings nur ein Zufall. Wieker steht in Berlin nicht im Verdacht, über Bande zu spielen, indem er brisante Informationen an Journalisten weiterreicht oder die Verteidigungsministerin mit provozierenden Interviews nervt. Ruhig, fast schon wortkarg im Umgang, sachlich im Ton und ohne jede Allüren ist er ein Militär, wie Ursula von der Leyen ihn sich wünscht: loyal durch und durch, aber erfahren wie wenige sonst in der Truppe. Wer, wie Wieker, Ende der neunziger Jahre Adjutant des für seine schroffe, ungeduldige Art bekannten Ministers Volker Rühe war, den bringt so schnell nichts mehr aus dem Tritt.
Zu Parteien auf Distanz
Die Karriere des gebürtigen Delmenhorsters beginnt nach dem Abitur mit der Ausbildung zum Offizier und einem Studium der Vermessungstechnik an der Bundeswehr-Universität in München. Im Lauf der Jahre wechselt er immer wieder zwischen verschiedenen Panzerartilleriebataillonen und dem Ministerium hin und her. Er wird Chef des Führungsstabes des Heeres und Kommandeur des deutsch-niederländischen Korps, für das Wieker auch nach Kabul geht.
Seine Soldaten schätzen ihn als umgänglichen, aber konsequenten Vorgesetzten, der sich aus der Politik heraushält. Anders als sein Vorgänger Wolfgang Schneiderhan, von dem es heißt, er stehe der SPD nahe, lässt Wieker sich keiner Partei zuordnen. Zweifel, dass die Bundeswehr dem neuen Einsatz trotz der Ausrüstungsmängel und der geschrumpften Zahl an Soldaten nicht gewachsen sein könnte, hat er keine: "Militärisch sind wir durchhaltefähig."
Wie so oft in seiner Karriere ist auch das Amt, das er jetzt ausfüllt, zu ihm gekommen und nicht er zu ihm. Nach dem Kundus-Skandal, als bei einem von einem Bundeswehroffizier organisierten Bombardement auf zwei Tankzüge bis zu 140 Menschen sterben, muss Schneiderhan im Januar 2009 gehen und der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg rasch Ersatz finden. Ein Foto einer Nachrichtenagentur zeigt den CSU-Mann damals in Afghanistan im Gespräch mit einem Mann, von dem es im Bildtext heißt, es handle sich um einen nicht identifizierten deutschen Soldaten. Wenig später ist dieser Soldat Generalinspekteur der Bundeswehr.
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