Die Erweiterung wird in Brüssel als historische Chance betrachtet. Dabei steckt die Gemeinschaft in einem Dilemma. Einerseits muss sie darauf pochen, dass der Prozess leistungsorientiert ist. Sonst ist die Existenz des Projekts gefährdet. Andererseits muss sie aus geostrategischer Sicht vorneweg die sechs Balkanstaaten zügig enger an sich binden. Es war ein fataler Fehler, dass sie das jahrelang versäumte. So dümpelte der Beitrittsprozess vor sich hin, sodass dem anfänglichen Enthusiasmus in jenen Ländern verständlicherweise an vielen Stellen Ernüchterung gewichen ist. Als Folge droht ein geopolitisches Vakuum auf dem Kontinent, das Russland nur allzu gerne ausfüllt.
Der Kreml und China bringen sich in Stellung
Insbesondere Serbien gerät immer mehr in den Einflussbereich des Kremls. Aber auch China bringt sich in der Region mit Geld in Stellung. Das könnte sich für die EU rächen. Nun nimmt die Instabilität in einigen der Länder zu, das sind keine guten Nachrichten für die Union. Deren Ignoranz war leichtsinnig und nun läuft sie Gefahr, diese strategisch wichtigen Länder Ost- und Südosteuropas auf lange Sicht zu verlieren.
Dabei kann sich die Gemeinschaft das angesichts der aktuellen Krisen nicht leisten. Gleichwohl kann sie es sich aber auch nicht leisten, über mangelnde Reformen und Probleme wie Korruption hinwegzusehen. Der Weg zur Mitgliedschaft ist aus gutem Grund langwierig und kompliziert. Die strengen Kriterien zum Beitritt dürfen deshalb nicht aufgeweicht werden.
Für eine Erweiterung braucht es dringend Reformen
Gleichwohl sollte die EU nicht nur die Kandidaten zu Reformen antreiben, sondern sich auch selbst für die Zukunft besser aufstellen. Für eine Erweiterung braucht es dringend Reformen, nicht nur beim Einstimmigkeitsprinzip in der Außen- und Sicherheitspolitik. Wie selten zuvor sollte die EU eine mutige Vision entwerfen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Pomp und Pathos