Porträt - Ex-Linken-Fraktionschef jetzt außenpolitischer Sprecher seiner Partei / 72-Jähriger bekannt für witzige und charmante Reden

Die Wiederentdeckung des Gregor Gysi

Von 
Stefan Vetter
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Gregor Gysi ist bei der Fraktionssitzung im Bundestag als neuer außenpolitischer Sprecher der Linken gewählt worden. © dpa

Berlin. Nur gelegentlich nahm Gregor Gysi noch an Sitzungen der Linksfraktion im Bundestag teil, deren Vorsitzender er insgesamt 20 Jahre lang war. Seine neue Bestimmung lag eher in außerparlamentarischen Aktivitäten. Als Schirmherr des Berliner Landesverbandes der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft und natürlich auch als Buchautor und Gastredner. Künftig dürfte eine breitere Öffentlichkeit wohl wieder mehr Notiz von Gysi nehmen. Auf Vorschlag der Vorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali wählte die Fraktion den 72 Jahre alten Polit-Profi am Dienstag zu ihrem außenpolitischen Sprecher.

Eine Beförderung von der Hinterbank wieder nach vorn sozusagen. Bereits im Februar hatte der bisherige Sprecher, Stefan Liebig, angekündigt, sich aus dem Auswärtigen Ausschuss im Parlament zurückzuziehen. Liebig zählt zum Reformflügel der Partei. Deshalb eckte er auch regelmäßig bei den linken Hardlinern an, für die zum Beispiel Venezuelas Staatschef Maduro weiter ein großer Held und jedweder Bundeswehreinsatz im Ausland des Teufels ist. Umso mehr kam es Bartsch, ebenfalls ein Reformer, auf Kontinuität bei der Neubesetzung des Amtes an. So wurde Gysi quasi wiederentdeckt. Und nach einiger Bedenkzeit sagte er Bartsch im April schließlich zu.

Lesung abgesagt

Noch bis vor kurzem hatte Gysi die Säle mit der Vorstellung seiner Autobiografie („Ein Leben ist zu wenig“) gefüllt. Für den 13. März war dazu auch ein Auftritt im Münchener Prinzregententheater geplant. Doch dann kam die Corona-Krise mit voller Wucht. Just an dem Tag machte Bayern die Schotten dicht, und die Veranstaltung fiel aus. Spötter meinen, Gysi könnte sich seitdem ziemlich gelangweilt haben. Wie dem auch sei, das Thema Außenpolitik hat den gelernten Rinderzüchter und späteren Rechtsanwalt immer schon umgetrieben. 1999, als die Linke noch PDS hieß, reiste Gysi nach Beginn der Nato-Angriffe nach Jugoslawien, um mit dem dortigen Präsidenten Milosevic über eine Friedenslösung zu sprechen. Das trug ihm in Deutschland damals harsche Kritik ein.

Derzeit ist Gysi Vorsitzender der deutsch-griechischen Parlamentariergruppe. Vor zwei Jahren begleitete er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Staatsbesuch in Athen. Als außenpolitischer Sprecher will Gysi für ein besseres Verhältnis mit Russland werben und für eine stärkere Rolle Deutschlands als Vermittler in internationalen Konflikten.

In der Fraktion freuen sich jedenfalls viele, dass Gysi nun wieder öfter ans Rednerpult des Bundestages treten wird. Der 1,64 Meter kleine Linken-Star ist bekanntlich ein begnadeter Redner mit viel Witz und Charme, von denen es nur noch sehr wenige im Parlament gibt.

Teilnahme an Wahl?

Und wer weiß, vielleicht findet Gysi ja auch Gefallen daran, bei der nächsten Bundestagswahl noch einmal anzutreten. Bislang hält er sich jedenfalls darüber bedeckt. Ohne Absicherung auf einem Listenplatz hatte Gysi 2017 den Wahlkreis Berlin-Treptow-Köpenick direkt geholt. Ein Zugpferd ist er für die Linke noch immer.

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