Steuerfahndung: Die wichtigsten Informationen liefern Betriebsprüfer, Zoll und Kollegen von der Polizei

Die Kripo des Fiskus

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Ruth Weinkopf

Mannheim. Sie arbeiten hinter den Kulissen, sind vom Gesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet und treiben für den Staat ein, was des Staates ist: die Steuerfahndung. Bis Mitte der 90er Jahre wurde ihre Arbeit eher belächelt, denn vor den großen Massenverfahren gegen Kunden deutscher Großbanken galt Steuerhinterziehung hierzulande eher als Kavaliersdelikt denn als Straftat.

Die jüngsten Datensätze über Schweizer Auslandskonten von Bundesbürgern rücken die Arbeit der Fahnder wieder ins Rampenlicht. Und die ist weit mühsamer als der politische Streit um Kauf und Relevanz der feilgebotenen Informationen über potenzielle Steuerhinterzieher vermuten lässt. Eine CD mit Bankdaten fällt wie eine reife Frucht vor die Füße. Das Tagesgeschäft dagegen ist die mühsame Suche nach Kontobewegungen und Geldflüssen, die Trennung von Schein- und tatsächlichen Geschäften, das Warten auf Amtshilfe ausländischer Behörden und der Frust, wenn alle Anfragen ins Leere laufen.

Auch nach knapp 30-jähriger Berufserfahrung und fast 4000 Selbstanzeigen infolge massenhafter Steuerstrafverfahren gegen Kunden deutscher Banken staunt Hans Edinger, Chef der Steuerfahndung Mannheim, noch immer "über die Energie, mit der es Menschen auf Steuernachzahlungen, finanzielle Strafen und Haft ankommen lassen". Er kennt viele Fälle in denen Bürger alles verloren haben: ihr Vermögen, ihre gesellschaftliche Reputation, ihre Familie. Der Jurist, für den Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit nicht nur politische Lippenbekenntnisse sind, lässt keinen Zweifel daran, dass "auch Daten aus der Schweiz, sollten sie hier auf den Tisch kommen, mit höchster Priorität bearbeitet werden". Und mit warnendem Unterton schiebt Edinger hinterher, dass es "keinerlei Pardon und Entgegenkommen" gibt.

Auch anonyme Anzeigen

Steuerfahnder sind - salopp gesprochen - die Kriminalpolizei der Finanzverwaltung. Sie trennen in der täglichen Flut von Privatanzeigen die stichhaltigen Tipps von den üblen Verleumdungen, mit denen sich manchmal die verlassene Gattin an ihrem Ex-Mann oder der gefeuerte Mitarbeiter an seinem Arbeitgeber rächen will. Das Gros dieser Tipps kommt anonym und eher selten passt die Information als vielleicht letzter Mosaikstein in ein Puzzle, mit dessen Gesamtbild sich die Fahnder schon länger abmühen.

Die weitaus ergiebigeren Informationen kommen von anderer Seite: von Betriebsprüfern, vom Zoll oder von der Polizei. "Diese Republik durchschwirren täglich tausende von Kontrollmitteilungen", weiß Hans Edinger. Deshalb kann die (unversteuerte) Abfindung des letzten Arbeitgebers genauso ans Tageslicht drängen wie das Honorar aus dem Zweitberuf, der in keiner Einkommensteuererklärung auftaucht. Hinter Delikten wie Schwarzarbeit, Geldwäsche oder illegaler Beschäftigung steckt ohnehin fast immer auch ein Fall von Steuerhinterziehung. Zwei Drittel der Tätigkeit ist die Lektüre beschriebenen Papiers, der sehr viel kleinere Rest die Fahndung im Außendienst.

Edinger und seine Kollegen treten erst auf den Plan, wenn der Anfangsverdacht einer Straftat besteht. Während Betriebsprüfer und andere Finanzbeamte beim Steuerpflichtigen selbst auf Ursachenforschung für Ungereimtheiten in der Bilanz oder Steuererklärung gehen, recherchiert die Fahndung ohne Kenntnis des Betroffenen. Die Hausdurchsuchung ist das letzte Mittel der Recherche: Wenn im Morgengrauen die Steuerfahndung klingelt, ist das Strafverfahren bereits eröffnet - und die Chance auf Selbstanzeige vertan.

Das Geschäft wird komplexer

Den 312 Steuerfahndern in Baden-Württemberg verschaffte der Datensatz aus Liechtenstein 121 Fälle von Steuerhinterziehung. 2008 konnte Baden-Württembergs Finanzminister Willi Stächele rund 235 Millionen rechtskräftig festgesetzter Steuernachzahlungen verbuchen. In allen Verfahren zusammen wurden 162 Jahre Freiheitsstrafe verhängt. Die Steuerfahndung Mannheim, eine von elf Fahndungsstellen in Baden-Württemberg, ist für die Stadtkreise Mannheim und Heidelberg sowie den Rhein-Neckar- und den Neckar-Odenwald-Kreis verantwortlich. Das Geschäft wird schwieriger, weil komplexer. Betrug beim Handel mit Emissionsrechten ist beispielsweise die neueste Variante eines Umsatzsteuerkarussells - bisher beschränkte sich diese Branche in der Regel auf Handys, Computerchips oder Autos.

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