Bundespräsident - Parteivorsitzende können sich auf keinen gemeinsamen Kandidaten einigen / Heute weiterer Versuch

Der Bellevue-Countdown läuft

Von 
Rudi Wais
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Bundeskanzlerin Angela Merkel verließ gestern ohne Ergebnis das Bundeskanzleramt in Berlin.

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Berlin. Die Hängepartie um die Gauck-Nachfolge geht in eine neue Runde. Auch bei ihrem zweiten Spitzentreffen innerhalb einer Woche haben sich die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten im Februar einigen können. Eine Kampfkandidatur zwischen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und einem Bewerber oder einer Bewerberin der Union wird damit immer wahrscheinlicher - allerdings ist das Tischtuch zwischen den Koalitionären in der P-Frage offenbar noch nicht ganz zerschnitten. Eine Einigung, hieß es gestern Abend in Berlin, sei nach wie vor noch möglich. Die Entscheidung darüber fällt vermutlich bereits am heutigen Montag.

Union mit besten Chancen

SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte die Runde im Kanzleramt bereits nach einer guten Dreiviertelstunde wieder verlassen, anschließend berieten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer noch kurz zu zweit. Ob es dabei um die Frage eines eigenen Unionskandidaten ging, blieb zunächst unklar. Bundesbankpräsident Jens Weidmann spielt in diesen Überlegungen nach Informationen dieser Zeitung keine Rolle. Spekulationen, Seehofer favorisiere den früheren Merkel-Berater, seien weit hergeholt, hieß es am Abend in CSU-Kreisen.

Als mögliche Herausforderer für Steinmeier sind in der Union nach wie vor Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und seine saarländische Kollegin Annegret Kramp-Karrenbauer im Gespräch. Dass Bundestagspräsident Norbert Lammert sein Nein zurücknimmt und doch antritt, gilt als ausgeschlossen. Sollten sich die Spitzen von CDU und CSU in ihrer Telefonkonferenz heute Vormittag für einen gemeinsamen Kandidaten der großen Koalition aussprechen, wird dies aller Voraussicht nach Steinmeier sein. Einen ähnlich bekannten und populären Kandidaten haben Merkel und Seehofer bislang nicht gefunden, auch in dem Gespräch mit Gabriel gestern Nachmittag nannten sie nach Informationen dieser Zeitung keine weiteren Namen.

Damit wächst der Druck auf die beiden Parteivorsitzenden, einen eigenen Bewerber zu präsentieren - mit weit über 500 Stimmen stellt die Union den mit Abstand größten Block in der Bundesversammlung. Kein Thema mehr ist offenbar eine Kandidatur des evangelischen Theologen und Philosophen Richard Schröder, der zwar als SPD-nah gilt, der aber bis weit in die Union hinein Respekt genießt. Schröders Name sei ,,mit auf dem Tableau" gewesen, bestätigten mehrere CSU-Obere auf Anfrage. Da Gabriel aber auf Steinmeier beharre, stelle sich diese Frage nicht mehr. Auch ein gemeinsamer Kandidat von CDU, CSU und Grünen ist danach offenbar kein Thema mehr. Dazu seien die Grünen mit ihrem Parteitag am Wochenende in Münster zu weit nach links gerückt.

In der Bundesversammlung am 12. Februar hat die Union nur gemeinsam mit der SPD oder gemeinsam mit den Grünen eine sichere Mehrheit. Bei einer Kampfabstimmung dürfte Steinmeier allerdings spätestens im dritten Wahlgang die etwas besseren Chancen haben als ein Kontrahent von CDU und CSU. In den ersten beiden Wahlgängen verlangt das Grundgesetz die absolute Mehrheit von 631 Stimmen, im dritten Durchgang genügt dann bereits die einfache Mehrheit. Da der Widerstand gegen den Außenminister in der Linkspartei schwindet und sich auch eine Reihe von FDP-Delegierten vorstellen kann, ihn zu wählen, hat Steinmeier gegenwärtig die besten Chancen, neues Staatsoberhaupt zu werden. Nach einer Umfrage des Emnid-Institutes halten ihn 62 Prozent der Deutschen für den geeignetsten Mann.

Die Bundesversammlung

  • Die Bundesversammlung tritt alle fünf Jahre zusammen, um einen Bundespräsidenten zu wählen. Das nächste Mal wird am 12. Februar 2017 der Nachfolger von Joachim Gauck bestimmt.
  • An der Wahl nehmen alle 630 Abgeordneten des Bundestags teil sowie ebenso viele Delegierte aus den 16 Bundesländern - insgesamt also 1260 Menschen.
  • Nach Angaben des Bundesinnenministeriums haben CDU und CSU nach derzeitigem Stand 542 bis 543 Stimmen, die SPD kommt auf 386 bis 388, die Grünen erhalten 145 bis 146, die Linke kommt auf 94, die FDP auf 33, die AfD auf 27.
  • In den ersten beiden Wahlgängen ist die absolute Mehrheit von 631 Stimmen erforderlich. In einem dritten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit. (dpa)

Korrespondent

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