Chisinau. Seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine erlebt die Republik Moldau turbulente und beunruhigende Zeiten. Das Land mit seinen rund 2,5 Millionen Einwohnern gilt als Armenhaus Europas und als politisch instabil. Im Parlament sitzen neben pro-europäischen Politikern auch pro-russische Abgeordnete, die gegen die Annäherung des Landes an die an die Europäische Union (EU) und die Nato agitieren.
Bis Kriegsbeginn war die Republik Moldau zu 100 Prozent von russischem Gas abhängig. Der russische Energiekonzern Gazprom hat jedoch die Liefermengen drastisch reduziert, jetzt muss die Regierung Gas zu deutlich höheren Preisen auf dem europäischen Markt einkaufen. Bereits Anfang November haben die prorussischen Behörden der abtrünnigen Provinz Transnistrien die Stromlieferungen an Moldau eingestellt. Dort befindet sich das einzige große Kraftwerk des Landes. Jetzt bezieht Moldau teuren Strom aus dem Nachbarstaat Rumänien.
Transnistrien hatte sich nach einem kurzen, aber blutigen Konflikt im Jahr 1992 von der Republik Moldau losgelöst und für unabhängig erklärt. International wird das jedoch von keinem Land anerkannt, auch von Russland nicht. Die Regierung in der Hauptstadt Tiraspol gilt jedoch als moskauhörig. In der Region sind rund 1500 von Russland bezahlte Soldaten stationiert.
Invasionsgerüchte gehen um
Das Verteidigungsministerium in Tiraspol kündigte ein dreimonatiges Ausbildungslager für Freiwillige an, um sich einer möglichen ukrainischen Invasion entgegenstellen zu können. Zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium am 23. Februar verlautbaren lassen, man erwarte eine Invasion Kiews in Transnistrien. Die ukrainische Seite wies diese Mutmaßungen prompt zurück.
In den vergangenen Tagen soll Kiew aber Truppen an die Grenze zum Nachbarland verlegt haben. Die meisten Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Ukraine militärisch nicht zu einer Invasion in der Lage ist. „Das sind Fehlinformationen, die das Ziel haben, Moldau zu destabilisieren und Panik zu schüren“, sagt Olga Rosca, die Sprecherin des moldawischen Außenministeriums.
Wie brisant andere Analysten die Lage einschätzen, lässt sich aber an einer Entscheidung der ungarischen Billigfluggesellschaft Wizz Air ablesen. Das Unternehmen gab am Dienstag bekannt, man werde die Flüge nach Chisinau „aufgrund der jüngsten Entwicklungen und des hohen, wenn auch nicht unmittelbar drohenden Risikos im Luftraum des Landes“ ab dem 14. März einstellen.
Hinter den regierungsfeindlichen Protesten stehen nach Ansicht der moldauischen Regierung moskautreue Kräfte. „Die Proteste werden ganz klar orchestriert von Ilan Shor, die Teilnehmer werden meistens bezahlt“, behauptet Olga Rosca. Shor lebt in Israel und gilt als Moskaus wichtigstes Instrument zur Destabilisierung des Landes.
Die Putschgerüchte führten in der Republik Moldau zu einem Austausch der Regierung. Am 10. Februar erklärten die bisherige Premierministerin Natalia Gavrilita und ihr Kabinett ihren Rücktritt. Zu ihrem Nachfolger wählte das Parlament, in dem die pro-europäische Regierungspartei „Aktion und Solidarität“, kurz PAS, die absolute Mehrheit hat, Dorin Recean. den ehemaligen Nationale Sicherheitsberater der Präsidentin Sandu.
Das Regierungslager versucht dennoch, Optimismus zu verbreiten. „Die Situation ist unter Kontrolle, die Leute in Transnistrien wollen auch keinen Ärger“, sagt Mihai Popsoi, der stellvertretende Parlamentspräsident. Jedoch signalisieren Meinungsumfragen deutlich: Das pro-europäische Lager verliert in dem kleinen Land zusehends an Zustimmung.