Bayern - Neuer Vorsitzende Markus Söder erinnert an Basis / Verabschiedung von Horst Seehofer / Demonstrative Einigkeit mit CDU

„CSU war immer Partei der Leberkäs-Etage“

Von 
Ralf Müller
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München. Sind 87,42 Prozent ein gutes oder ein mäßiges Ergebnis für einen CSU-Parteivorsitzenden, der erstmals und ohne Gegenkandidaten antritt? Ein „sehr, sehr ehrliches Ergebnis“, meint die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer als Grußrednerin auf dem CSU-Parteitag in München – was üblicherweise eine Umschreibung für „nicht berauschend“ ist. Der mit diesem Ergebnis gewählte neue CSU-Vorsitzende Markus Söder nimmt es sportlich.

Der Wechsel von der „Ära Seehofer“ zu einer neuen CSU wird mit allem inszeniert, was die Instrumentenkiste politischer Öffentlichkeitsarbeit hergibt: ein tränenreicher Abschied, ein bejubelter Neubeginn und eine demonstrative Wiederversöhnung der Unions-Schwestern.

Seine Rolle als Sündenbock für die schlechten CSU-Ergebnisse bei der Bundestags- und Landtagswahl hat der scheidende Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer in den vergangenen Monaten hinreichend abgeleistet, jetzt ist Dank und Anerkennung angesagt. Als sichtbarstes Zeichen widerfährt Seehofer, was noch keinem Parteichef vor ihm zuteil wurde: Schon kurz nach seiner Erklärung, er gebe sein Amt an die Partei zurück, beantragt sein Nachfolger Söder, Seehofer zum dritten Ehrenvorsitzenden nach Theo Waigel und Edmund Stoiber zu ernennen. Gesagt, getan: Fast alle der knapp 900 Delegierten heben die Hand, um ihrem zuletzt viel gescholtenen Ex-Vorsitzenden die Ehre zu erweisen – „ganz ohne Bewährungszeit“, wie sich der Geehrte wundert.

Blick ins Horoskop

Und auf wundersame Weise findet sich sogleich eine hübsche Ehrenurkunde, die Nachfolger Söder flugs unterschreibt, um danach erleichtert festzuhalten, dass ein Ehrenvorsitzender nicht mehr zum Parteichef kandidieren könne. In seiner Abschiedsrede spielt Seehofer mit einer möglichen Rückkehr und liest sein Tageshoroskop vor: „Sie verlieren keinesfalls ihr Gesicht, wenn Sie eine bereits getroffene Entscheidung revidieren.“ Aber dazu, meint Seehofer dann doch, „fehlt mir einfach die Risikobereitschaft“.

Bei der Ehrenurkunde will es Seehofers inzwischen wieder dankbare Partei nicht bewenden lassen: Als Abschiedsgeschenk erhält er einen Miniaturnachbau des Franz-Josef-Strauß-Hauses in München für seine Modelleisenbahnanlage im Maßstab 1:87. Ein Modellbauer soll 300 Stunden an dem Nachbau gesessen haben, in dem auch das Chefbüro nachgebildet ist.

In den zehn Jahren unter Seehofers Vorsitz habe man „große Erfolge“, aber auch Niederlagen zu verzeichnen gehabt, würdigt Söder seinen Vorgänger. Er habe von Seehofer „viel gelernt“, so Söder: „Manchmal haben wir uns auch gegenseitig geprüft.“

Nach diesem nach innen gerichteten Ehrerbietungs- und Versöhnungsritualen folgt der Schulterschluss mit der Unionsschwester. CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer wiederholt den Vergleich, den sie schon bei der CSU-Winterklausur in Seeon gemacht hat: Geschwister streiten sich, aber „wenn die aus der Nachbarschaft kommen“, halte man zusammen. „Wir waren, sind und bleiben eine politische Familie“, so die neue CDU-Chefin. „Keiner gleich, aber beide ziehen immer am gleichen Strang.“

Der frisch gebackene Parteivorsitzende Söder nutzt die Verabschiedung von Kramp-Karrenbauer, um sich von den Umgangsformen seines Vorgängers abzuheben. Er werde „zwei Fehler nicht machen, die früher mal gemacht wurden“, sagt er mit Blick auf den CSU-Parteitag 2015, als Seehofer Kanzlerin Angela Merkel auf der Bühne einen 13-minütigen vorwurfsvollen Vortrag hielt. Und er werde „echte Blumen“ überreichen, fügt Söder hinzu. Auch das hat Amtsvorgänger Seehofer einmal versäumt.

Appell nach Berlin

Auf offene Ohren stößt Seehofer mit seinem „einzigen Wunsch für die Zukunft“, für den er eine Anleihe bei den „Meistersingern“ nimmt: „Verachtet mir die kleinen Leute nicht.“ Söder gelobt Folgsamkeit: Die CSU sei schon immer eine Partei der Leberkäs-Etage und nicht der Prosecco-Trinker gewesen. In einer Mischung aus Bewerbungs- und Grundsatzrede beharrt der neue CSU-Chef aber auch darauf, dass man sich in Berlin mehr anstrengen müsse. Eine Groko mache nur Sinn, wenn sie Ergebnisse bringe: „2019 ist ein gutes Jahr für Ergebnisse.“

Info: Video unter morgenweb.de/politik

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