Speyer/Ludwigshafen/Straßburg. Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat im Trauergottesdienst für Helmut Kohl an das Lebenswerk des früheren Bundeskanzlers erinnert. "Wir nehmen Abschied von einem wahrhaft großen Staatsmann", sagte Wiesemann am Samstagabend bei dem Requiem im Dom zu Speyer. Es sei zugleich der Abschied von einem Ehemann und Familienvater. Der Bischof drückte der Witwe Maike Kohl-Richter, aber auch den Söhnen und Enkeln von Kohl sein Mitgefühl aus. "Es ist der Abschied von einem Menschen, mit allem, was Menschsein in Kraft und in Schwäche bedeutet." Das Verhältnis zwischen Kohl und seinen Söhnen galt als zerrüttet.
Zahlreiche prominente Gäste hatten sich am Abend im Dom eingefunden. Unter anderen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Walter Steinmeier, Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, Ex-Bundespräsident Horst Köhler, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Unter den ersten Gästen im Dom waren auch der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel, der Heidelberger CDU-Bundestagabgeordnete Karl A. Lamers, der frühere BASF-Vorstandschef Jürgen Strube und Vorstandsmitglied Margret Suckale. Rund 1500 geladene Gäste waren im Dom erwartet worden.
Sie erklang, als Helmut Kohl im Dezember, kurz vor Weihnachten, noch einmal mit seiner Frau hier war, betete, eine Kerze entzündete: Bachs Toccata und Fuge in d-Moll. Sie wurde auch bei allen Besuchen von Helmut Kohl mit Staatsgästen im Speyerer Dom gespielt, und auch jetzt tönte sie zu Beginn durch das riesige Gotteshaus, in dem das Requiem für den verstorbenen Altkanzler stattfand. Von 19 Ministranten begleitet, zogen Bischof Wiesemann und seine zahlreichen Konzelebranten in den Dom ein. "Wir bitten Dich für unseren Bruder Helmut Kohl, den Du zu Dir gerufen hast. An Dich hat er geglaubt und auf Dich gehofft, führe ihn zur ewigen Heimat" - mit diesem Tagesgebet eröffnete Bischof Karl-Heinz Wiesemann den Gottesdienst, nachdem er den Sarg mit Weihwasser besprengt und in Weihrauch gehüllt hatte. Ebenfalls sagte Wiesemann: "Wir feiern den Gottesdienst im Geist der Versöhnung und der Dankbarkeit. Für das Geschenk der Deutschen Einheit, die mit deinem Namen verbunden bleibt".
Zur musikalischen Gestaltung trugen der Domchor Speyer, die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und Domorganist Markus Eichenlaub bei. Die Leitung hatte Domkapellmeister Markus Melchiori. Die für den Gottesdienst ausgewählten Musikstücke stammten von Komponisten aus Frankreich, England, Russland, Österreich und Deutschland. Sie standen symbolhaft für den europäischen Gedanken, dem sich Helmut Kohl zeitlebens verpflichtet sah - und für den auch der Dom steht. Mit Ave Maria, gesungen vom Domchor, ging der Trauergottesdienst zu Ende. Der Sarg wurde noch einmal mit Weihwasser besprengt und von Weihrauch umhüllt.
Ein militärisches Ehrenzeremoniell der Bundeswehr beendete die offiziellen Trauerfeierlichkeiten für den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl. In Speyer spielte das Musikkorps der Bundeswehr am Samstagabend unter anderem einen Trauermarsch und zum Abschluss die deutsche Nationalhymne. Der mit einer Deutschlandfahne umhüllte Sarg von Kohl stand während der Zeremonie aufgebahrt auf dem Domplatz. Acht Soldaten vom Wachbataillon der Bundeswehr im Range eines Hauptmanns schulterten den Sarg. Acht Brigadegeneraele und Admirale verschiedener Truppenteile eskortierten ihn. Hierbei erklang die Kaiserglocke, Hauptgefreite trugen einen Kranz mir roten Rosen.
Nach dem Ehrenzeremoniell der Bundeswehr wurde Kohl dann auf dem nahegelegen Friedhof des Domkapitels in Speyer im Freundes- und Familienkreis beigesetzt. Das Requiem im Dom für den verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl verfolgten per Großbildwand 600 Besucher im südlichen Domgarten bei Nieselregen. Das Bistum Speyer hatte Platz für maximal 3500 Personen geschaffen.
Der Sarg mit dem Leichnam von Helmut Kohl war gegen 16.45 Uhr in Speyer eingetroffen. Eskortiert von mehreren Polizeibooten legte das Schiff "Mainz" am Samstagnachmittag am Rheinufer in unmittelbarer Nähe des Speyerer Doms an. In Empfang genommen wurde der Sarg des Altkanzlers am Rheinufer von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Kurz zuvor hatten drei Hubschrauber der Bundespolizei die Anlegestelle in V-Formation überflogen. Ein achtköpfiges Ehrenbataillon der Bundeswehr trug den Sarg anschließend von Bord. Nachdem die Witwe, Maike Kohl-Richter, auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, setzte sich der Leichenwagen in Bewegung zum wenige hundert Meter entfernten Dom, wo am Abend das Requiem gehalten wurde.
Der Sarg von dem vor gut zwei Wochen verstorbenen 87-Jährigem war mit der Deutschland-Fahne bedeckt. Dem Fahrzeug mit dem Leichnam folgten ein weiterer gläserner Leichenwagen mit einem Kranz aus Rosen und etwa 14 dunkle Begleitfahrzeuge. Mehrere hundert Menschen flankierten die Ankunft des verstorbenen CDU-Politikers am Rheinufer. Kamerateams aus der ganzen Welt filmten den Trauerzug, der von Polizisten und Soldaten begleitet wurde.
Etwa 1000 Besucher bei Trauerzug durch Ludwigshafen
Der Sarg von Helmut Kohl war zuvor durch die Innenstadt von Ludwigshafen gefahren worden, damit sich die Menschen dort vom verstorbenen Altkanzler verabschieden konnten. Nach Angaben der Polizei waren insgesamt etwa 1000 Menschen vor Ort. Allein am Ludwigsplatz in der Innenstadt erwiesen hunderte Menschen dem Altkanzler die letzte Ehre und viele applaudierten, als der Konvoi vorbeifuhr. Auch die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) befand sich am Ludwigsplatz. An der Spitze des Konvois fuhren als Ehreneskorte fünf Polizeimotorräder.
Der Sarg mit dem Leichnam des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl wurde nach dem Konvoi durch Ludwigshafen von acht Mitgliedern eines Wachbataillons der Bundeswehr an einer Anlegestelle auf das Schiff "Mainz" getragen. Der Sarg wurde auf dem Heck des Schiffes aufgebahrt. Das Schiff fuhr die sterblichen Überreste von Kohl einige Kilometer auf dem Rhein bis nach Speyer.
Ein Hubschrauber der Bundespolizei hatte den Sarg von Altkanzler Helmut Kohl zurück in seine Heimatstadt Ludwigshafen gebracht. Die Maschine, die nach dem EU-Trauerakt in Straßburg gestartet war, landete am Samstagnachmittag auf dem Gelände der Autobahnpolizei in Ruchheim. Dort war Kohl zu Zeiten seiner Kanzlerschaft auch oft gelandet, wenn er nach Hause kam. Die Polizeistation liegt nur wenige Kilometer entfernt vom Haus der Familie Kohl in Ludwigshafen-Oggersheim.
Historischer Trauerakt in Straßburg
Mit einem historischen Trauerakt hatte Europa zuvor Abschied von einem seiner bedeutendsten Staatsmänner genommen und dessen visionäres Vermächtnis gewürdigt. "Helmut Kohl war ein deutscher Patriot, aber auch ein europäischer Patriot", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Samstag im Europarlament von Straßburg. "Mit Helmut Kohl verlässt uns ein Nachkriegsgigant."
EU-Ratspräsident Donald Tusk verband seine Würdigung des Altkanzlers vor dem in eine blaue Europaflagge gehüllten Sarg mit einem Appell an die heutigen Politiker des Kontinents, klare Botschaften zu senden: "Ein Ja für die Union, ein Ja für die Freiheit, ein Ja für die Menschenrechte." Kohl war am 16. Juni mit 87 Jahren in Ludwigshafen-Oggersheim gestorben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte Kohl einen großen Brückenbauer. "Er war ein den Menschen zugewandter Weltpolitiker", sagte die CDU-Chefin. Jetzt müssten die nächsten Generationen sein Vermächtnis bewahren - den engagierten, unermüdlichen Einsatz für Frieden, Freiheit und Einheit. Merkel dankte dem Altkanzler auch persönlich: "Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil. Danke für die Chancen, die Sie mir gegeben haben." Sie schilderte ihren Amtsvorgänger als Mann der absoluten Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und unerschütterlichen Überzeugung - und auch als Politiker, an dem sich viele Menschen gerieben hätten und der Gegenargumente scharf abwehren konnte.
Auch Juncker erinnerte an Kohls Rolle als Kanzler der deutschen Wiedervereinigung und beim Zusammenwachsen Europas. Zwischen beiden Zielen habe es für ihn keinen Widerspruch gegeben. In "geduldigen Einzelgesprächen" habe er die Skepsis in manchen europäischen Ländern gegen die deutsche Einigung abgebaut. "Er hat die Gunst der Stunde richtig eingeschätzt und genutzt." Ohne Kohl hätte es zudem den Euro nicht gegeben, sagte Juncker. "Für ihn war der Euro stets europäische Friedenspolitik mit anderen Mitteln."
EU-Ratschef Tusk nannte Kohl einen Wegbereiter der europäischen Einigung sowohl im Westen als auch im Osten des lange geteilten Kontinents. "Seine Vision ging weit über die deutschen Grenzen und die deutschen Interessen hinaus." Der Deutsche habe "verstanden, dass die ersten, die der Berliner Mauer Risse beigebracht haben, die Werftarbeiter von Danzig waren", betonte der selbst aus Danzig stammende Pole Tusk mit Blick auf die Verdienste der Gewerkschaft Solidarnosc für die demokratische Entwicklung Ost- und Mitteleuropas.
EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani hob Mut und Tatkraft Kohls hervor. "Er war ein Kämpfer für die Freiheit und die Demokratie und einer der Protagonisten der Wiedervereinigung unseres Kontinents. Stets und überall verteidigte er die Würde des Menschen gegen Mauern, gegen eiserne Vorhänge und gegen totalitäre Regime." Kohl habe maßgeblich den Lauf der Geschichte beeinflusst, so Tajani. "Wir finden kein Kapitel der europäischen Integration, dem er nicht mutig seinen Stempel aufgedrückt hätte."
Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte den Altkanzler als großen Freund seines Landes. "Helmut Kohl reichte uns die Hand." Macron erinnerte an die Annäherung beider Länder in den 80er Jahren und die Nähe Kohls zum damaligen französischen Präsidenten François Mitterrand. Der 39-Jährige bekräftigte seinen Willen zur engen Zusammenarbeit mit Deutschland und Bundeskanzlerin Merkel. Auf Deutsch sagte er: "Wir haben heute überhaupt keinen Anlass zur Resignation. Wir haben vielmehr Grund zu realistischem Optimismus."
Der frühere US-Präsident Bill Clinton sagte, Kohl habe eine Welt gewollt, in der Zusammenarbeit als besser gilt als der Konflikt. "Er wollte eine Welt schaffen, in der niemand niemanden dominiert." Zum Schluss sagte Clinton: "Du hast das gut gemacht in deinem Leben. Und wir, die wir dabei sein durften, lieben dich dafür." Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew erinnerte an die engen Beziehungen Kohls zu seinem Land. Für den Altkanzler sei Russland Bestandteil eines vereinten Europas gewesen, sagte Medwedew, der in Straßburg als Privatperson sprach. "Für ihn war das ein Teil eines gemeinsamen Hauses, ohne Stacheldraht."
Erstmals wurde für einen Politiker ein solcher europäischer Trauerakt ausgerichtet. Einen deutschen Staatsakt für Kohl wird es dagegen nicht geben. Der mit einer Europaflagge bedeckte Sarg des Altkanzlers war am Morgen aus Kohls Haus in Ludwigshafen-Oggersheim getragen worden. Anschließend machte sich ein Fahrzeugkonvoi auf den Weg nach Straßburg. Am Abend wird der frühere Bundeskanzler nach einem Requiem im Speyerer Dom beerdigt. Kohl war 16 Jahre lang Bundeskanzler, 25 Jahre lang CDU-Vorsitzender und "Ehrenbürger Europas".
Ein Großaufgebot der Polizei mit mehr als 1000 Beamten sicherte die Trauerfeierlichkeiten. Die Beisetzung dürfte zu den größten Beerdigungen in der deutschen Nachkriegsgeschichte zählen. (dpa/dls/mpt/pwr/ott)
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/politik_artikel,-politik-bischof-wiesemann-nehmen-abschied-von-grossem-staatsmann-_arid,1073196.html