Rom. Das politische Italien hielt den Atem an. Brechen die höchsten Richter des Landes jetzt endgültig den Stab über Silvio Berlusconi, und löst das eine Regierungskrise aus? Oder signalisiert der Kassationsgerichtshof Entspannung und gibt den Fall an die untere Instanz zurück? Nach mehreren Verhandlungstagen und sieben Stunden des angespannten Wartens dann der Spruch der Richter: Berlusconis Haftstrafe wird definitiv - ins Gefängnis muss er aus Altersgründen jedoch nicht. Und aus der Politik muss er damit auch noch nicht. Denn das ihm auferlegte Ämterverbot gaben die obersten Richter in ihrem Urteil an die Berufungsinstanz in Mailand zurück. Aber wie kann die Regierung mit dem rechtskräftig Verurteilten jetzt umgehen?
Ausgerechnet die - von Berlusconi so gehasste - Staatsanwaltschaft hatte dem skandalträchtigen und in Prozessen erfahrenen Berlusconi zuvor etwas Optimismus verschafft. Als Anklagevertreter Antonio Mura im Plädoyer meinte, das dem Senator Berlusconi mit einem Schuldspruch drohende Verbot öffentlicher Ämter müsse von fünf auf drei Jahre gekürzt werden, da witterte das Mitte-Rechts-Lager des "Cavaliere" sofort Morgenluft. Wenn es dann auf etwa 18 Monate hinausliefe, dann könnte er 2015 bei Wahlen schon wieder antreten. So jedenfalls wollte die linksliberale "La Repubblica" Berlusconi verstanden haben.
Berlusconi ist für seine Sex-Skandale bekannt, für üble Sprüche unter der Gürtellinie, aber auch als Stehaufmännchen. Wie oft war sein politisches Ende schon vorhergesagt! Dreimal war er Regierungschef seit seinem Einstieg in die Politik vor bald zwei Jahrzehnten. Dabei haben seine Parlamentsmehrheiten wiederholt Justizgesetze durchgeboxt, die ihm helfen sollten, den ständigen Ärger mit den Staatsanwälten und Richtern in seiner Heimatstadt Mailand zu überstehen. Die brillanten Anwälte an seiner Seite wie Niccolò Ghedini brachten ihr Können vor Gerichtsschranken voll zur Geltung, immer Verjährungsfristen für Berlusconi im Blick. Bislang war das auch immer bestens gelaufen.
Wie auch immer, von einem Ende des schon so oft politisch totgesagten Berlusconi ist noch nicht so richtig die Rede. Ob eine Regierungskrise droht durch Spannungen in der Koalition der Partei PdL (Volk der Freiheit) Berlusconis und der Demokratischen Partei (PD), muss sich zeigen. Sie ist sowieso Zerreißproben ausgesetzt.
Während das Gericht Pro und Contra um den Millionenbetrug bei dem Verkauf von TV-Rechten hörte, hatte sich seine enge Parteifreundin Mariastella Gelmini trotzig so zu Wort gemeldet: "Die Alternative zu Berlusconi heißt Berlusconi. Kein Urteil kann ihn der von Millionen Wählern bestätigten Leadership berauben."
Der angeklagte Berlusconi selbst schwieg, abgeschottet in seinem römischen Palazzo Grazioli, um sich geschart seine rechte Hand Gianni Letta sowie einige Familienangehörige. Für den Fall einer Verurteilung soll er gesagt haben: "Ich gebe euch dann die Adresse, an die ihr mir Orangen schickt."
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