Washington. Die Spannung bleibt erst einmal erhalten: Kurz vor Angela Merkels Abflug hat das Weiße Haus gestern Abend den Antrittsbesuch der deutschen Bundeskanzlerin um drei Tage verschoben. Merkel hätte sich heute erstmals mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump treffen sollen. Dessen Sprecher nannte als Grund für die Verlegung eine Schneesturmvorhersage an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Die Begegnung soll nun am Freitag stattfinden. Sie wird in beiden Staaten mit Spannung erwartet.
"Donald Trump und Angela Merkel könnten nicht unterschiedlicher sein", schreibt die Zeitung "USA Today". "So weit voneinander entfernt wie Pole", sieht die "New York Times" die beiden Regierungschefs: "Der große Umstürzler trifft die letzte Verteidigerin der freiheitlichen Weltordnung."
Gegensätzliche Auffassungen
Mit Merkel empfängt US-Präsident Trump erstmals jene Kanzlerin, der er im Wahlkampf vorwarf, mit ihrer Flüchtlingspolitik Deutschland zu "ruinieren". Das Weiße Haus erwartet eine "robuste Diskussion".
Auch Merkel kommt mit Ballast: Trumps Grenzerlass hat sie genauso kritisiert wie seinen Umgang mit den Medien; die Zusammenarbeit knüpfte sie nach seinem Wahlsieg an die Rücksicht auf grundlegende westliche Werte.
Die Ansichten der beiden Staatenlenker kontrastieren bei vielen Themen, vom Klimawandel und der Europäischen Union bis zum Handel und dem Iran. Doch Merkel weiß, dass sie beim wichtigsten internationalen Partner keinen Dauerfrost riskieren darf, und auch Washington ist um versöhnliche Signale bemüht.
Stärkung der Nato
Trump sei "beeindruckt von Merkels Führung", sagten hochrangige Mitarbeiter der US-Regierung am Wochenende in einem Hintergrundgespräch für die Presse. Er wolle von der Kanzlerin über den Umgang mit Russlands Präsident Wladimir Putin lernen. Es gab aber auch Forderungen: Deutschland sei einer der stärksten Mitgliedsstaaten der Nato und müsse mit gutem Beispiel vorangehen. "Der Präsident freut sich darauf, mit der Kanzlerin darüber zu sprechen, wie das Nato-Bündnis gestärkt werden kann", sagten Trumps Mitarbeiter.
Der Vorwurf, Staaten wie Deutschland kämen im Verteidigungsbereich ihren Finanzierungszusagen nicht nach, gehörte zu Trumps Wahlkampfthemen. Berlin hat Gesprächsbereitschaft erkennen lassen. "Wir sind ermutigt von der Entschlossenheit der deutschen Regierung, bis 2024 die Nato-Zielmarke von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen", sagten die US-Vertreter. Obwohl Trump die Medien aufgerufen hat, künftig auf anonyme Quellen zu verzichten, ließen seine Sprecher sich nicht mit Namen zitieren.
Merkel wird ihrerseits wohl beim Thema Handel deutlich werden: Statt Barrieren abzubauen, denkt Trump über neue Zölle nach. Seine Regierung wirft Deutschland vor, vom schwachen Euro zu profitieren, und hat Autoherstellern Einfuhrsteuern von 35 Prozent angedroht. Chefstratege Steve Bannon möchte statt mit der EU lieber mit einzelnen Mitgliedsstaaten verhandeln.
Im Pressegespräch räumte ein US-Vertreter nun zwar ein, dass Letzteres gar nicht möglich ist. Er sagte aber, der deutsche Exportüberschuss im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten werde wohl bei dem Treffen thematisiert.
Kampf gegen den Terror
Es wird erwartet, dass die Kanzlerin nicht nur ein Bekenntnis zu Europa ablegt, sondern Trump auch auf die Bedeutung der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehung hinweist. Die USA sind Deutschlands wichtigster Handelspartner; deutsche Unternehmen stellen in den USA mehr als 600 000 Arbeitsplätze. Daher gehören zu Merkels Delegation auch die Chefs von Siemens und BMW.
Mit Blick auf den G 20-Gipfel im Juli in Hamburg nannten Trumps Mitarbeiter außerdem den Anti-Terror-Kampf, Afghanistan und die Ukraine-Krise als verbindende gemeinsame Herausforderungen.
Beim letzten Thema droht allerdings schon die nächste Klippe: US-Geheimdienste teilen zwar Europas Furcht vor einer russischen Einmischung in die kommenden Wahlen in Europa. Gleichzeitig laufen aber Untersuchungen, ob nicht Trump selbst von Moskau Cyber-Schützenhilfe erhielt. Einzelne Mitarbeiter haben eingeräumt, nicht nur mit Wikileaks, sondern auch mit russischen Hackern in Kontakt gestanden zu haben. Beweise gegen den Präsidenten selbst gibt es bisher nicht, er reagiert auf das Thema aber meist dünnhäutig.
Sorgen bereitet Beobachtern zudem die Expansion der zwielichtigen Propaganda-Webseite Breitbart nach Deutschland. Dass sie bis vor kurzem von Trumps Strategiechef Bannon betreut wurde, macht auch dieses Thema pikant. Wenn der Schneesturm überstanden ist, werden die beiden Staatsoberhäupter sich deshalb wohl erst einmal um einen pragmatischen Grundton bemühen. Im Anschluss wollen sie zwar vor die Presse treten, doch das Weiße Haus hat die Erwartungen bereits gedämpft. "Der Zweck dieses Treffens ist es, zusammenzukommen und die Bandbreite der Themen zu diskutieren, die wir in unserer bilateralen Beziehung haben", erklärte ein Mitarbeiter. Spezifische Bekanntgaben seien nicht geplant.
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