Gesundheit - US-Republikaner müssen zentrales Wahlkampfversprechen erfüllen - die meisten Bürger wollen aber Vorteile behalten

Attacken auf "Obamacare"

Von 
Jens Schmitz
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Viele Amerikaner sind auf die Gesundheitsversorgung angewiesen und lehnen deshalb Änderungen an der Gesundheitsreform ab.

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Washington. Die Republikaner im US-Kongress versuchen, trotz turbulenter Wochen im Weißen Haus ihre Agenda zu verfolgen. Nach sieben Jahren wütenden Protests präsentierten sie jetzt einen Ersatzplan für die Gesundheitsreform der Vorgängerregierung. Das Vorhaben ist ein zentrales Wahlkampfversprechen, doch politisch heikel: Dem "Affordable Care Act" (ACA) aus dem Jahr 2010, landläufig auch als Obamacare bekannt, verdanken mehr als 20 Millionen Menschen ihren Versicherungsschutz. Konservative wollen den freien Markt stärken.

"Diese geeinte republikanische Regierung wird den Millionen von Amerikanern Erleichterung und Seelenfrieden bringen, die unter Obamacare leiden", versprach Repräsentantenhaussprecher Paul Ryan. "Trumpcare ersetzt den Affordable Care Act nicht", sagte dagegen Chuck Schumer, Minderheitensprecher des Senats. "Es zwingt Millionen Amerikaner, für weniger Leistung mehr zu bezahlen."

Konkrete Schätzungen fehlen

Die Republikaner stehen vor einem Problem: Obamacare hat bessere Umfragewerte als je zuvor. Viele Bürger lehnen zwar eine allgemeine Versicherungspflicht ab, wollen aber die neuen Standards nicht missen. Die Konservativen haben sinkende Preise und mehr Auswahl versprochen. Das unter einen Hut zu bringen, erscheint unmöglich. An zwei zentralen Stellen bleibt der neue Plan deshalb stumm: Die Autoren haben darauf verzichtet, das Congressional Budget Office seine Kosten berechnen zu lassen. Schätzungen dazu, wie viele Menschen ihren Schutz verlieren könnten, fehlen.

Die allgemeine Versicherungspflicht soll aber abgeschafft werden. Amerikaner ohne Police müssten damit nicht mehr automatisch eine Strafe bezahlen. Allerdings sollen die Versicherer nach den Plänen künftig 30 Prozent höhere Preise von Menschen verlangen können, die nach mehr als zwei Monaten ohne Vertrag bei ihnen einsteigen möchten. Der Entwurf schafft außerdem die Verpflichtung ab, dass größere Firmen Angestellten eine Versicherung anbieten müssen.

Drei beliebte Errungenschaften des ACA bleiben dagegen erhalten: Vorerkrankungen dürfen weiter nicht zum Ausschluss führen. Zahlungsgrenzen im Lauf eines Lebens bleiben verboten. Und junge Menschen können bis 26 Jahre über ihre Eltern versichert sein.

Bislang hatte der Staat die Beiträge von Niedrigverdienern teilweise oder ganz übernommen. Der Entwurf sieht nun Steuergutschriften vor, die nach Alter gestaffelt sein sollen, der jüngsten Variante zufolge auch nach Einkommen. Ein erstes Konzept hatte das Einkommen unberücksichtigt gelassen, war aber von Republikanern aus ärmeren Bundesstaaten torpediert worden.

Unter dem ACA hatte Washington den Bundesstaaten die Möglichkeit eingeräumt, das Programm "Medicaid" für Familien und Bedürftige auszuweiten und dafür Bundesmittel in Anspruch zu nehmen. Auch konservative Gouverneure hatten nach dem Regierungswechsel befürchtet, der neue Kurs werde auf ihrem Rücken ausgetragen. Nun sind erst von 2020 sinkende Überweisungen vorgesehen, was die Zahl der Leistungsempfänger mutmaßlich senkt. Die Effekte werden aber erst nach den nächsten Kongress- und Präsidentschaftswahlen spürbar.

Trotzdem gibt es genug Klippen im eigenen Lager. Vier republikanische Senatoren drohten, sich zu verweigern, wenn ihre Wähler nichtgeschützt würden. Drei weitere Kollegen fanden das Projekt nicht konservativ genug; der republikanische Senator Rand Paul beschimpfte es als "Obamacare light". Widerstand gibt es auch im Repräsentantenhaus. Der konservative Abgeordnete Justin Amash nannte die Vorlage "Obamacare 2.0".

Erz-Konservative tun sich schwer mit der Tatsache, dass der Entwurf geltende Steuermodelle nicht einfach in Bausch und Bogen entsorgt. Ein Sprecher des Präsidenten Donald Trump lobte die Vorlage dagegen als "wichtigen ersten Schritt". Trump selbst hat behauptet, eine "wirklich, wirklich gute Lösung" entwickelt zu haben, sich bislang aber nur vage geäußert.

Korrespondent

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