Pandemie - Ministerpräsident Volker Bouffier mit Regierungserklärung / Opposition wirft CDU und Grünen Versagen vor

Zuversicht trotz Impf-Dilemma

Von 
Gerhard Kneier
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Volker Bouffier auf dem Weg zur Sitzung des hessischen Landtags. © dpa

Wiesbaden. Vorläufiger Einsatzstopp für Astrazeneca hin oder her: Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) ist optimistisch, dass bis zum Sommer mehr als die Hälfte der Hessen gegen das Coronavirus geimpft sein werden. Beherzt verteidigte der Regierungschef am Dienstag im Wiesbadener Landtag das Vorgehen des Landes in der Pandemie-Krise und machte dem Bund dafür einige Vorwürfe. Von der Opposition musste sich Bouffier jedoch selbst scharfe Kritik anhören. SPD-Fraktionschefin Nancy Faeser hielt ihm vor allem die rund 3000 Toten in hessischen Altenpflegeheimen vor.

Die Inzidenz ist bis gestern in Hessen auf 89,1 gestiegen, acht Landkreise oder Großstädte liegen bereits wieder über 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen. Bouffier ließ keinen Zweifel daran, dass die Landesregierung reagieren wird, wenn auch landesweit die Inzidenz über 100 steigt. Welche Öffnungsschritte dann zurückgenommen werden, ließ er offen.

Die Entscheidung über die zu treffenden Maßnahmen würden erst nach der für kommenden Montag geplanten nächsten Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin getroffen, sagte er. Schließlich stünden fast alle Länder vor dieser Frage. „Wir gehen in Schritten vor, wir überprüfen die Wirkung der jeweiligen Schritte und gehen dann die nächsten Schritte“, betonte Bouffier.

Er ist sich nach eigenen Worten des Dilemmas sehr bewusst. Einerseits gibt es Virologen, die angesichts der steigenden Infektionszahlen eine sofortige Rücknahme aller Öffnungsschritte fordern. Auf der anderen Seite sehnen sich die Menschen nach der Rückkehr ins normale Leben, und halten Gastronomen oder Einzelhandel mit ihren wirtschaftlichen Probleme die Lockerungen noch längst nicht für ausreichend. Er habe viel Verständnis für den Ruf nach möglichst genauen Terminen, wann es wieder losgehen kann. Das könne aber verantwortlich zurzeit niemand wirklich sagen.

Hoffnungen liegen auf Tests

Dass das Impfen mit Astrazeneca nun auch in Deutschland ausgesetzt wurde, „ändert wieder jede verlässliche Planung“, beklagte Bouffier. Doch der Ministerpräsident sieht auch Grund zur Zuversicht. Bis spätestens Ende Mai werde so viel Impfstoff zur Verfügung stehen, „dass wir breite Bevölkerungskreise erreichen“. Und die Erwartung, dass im Sommer 50 bis 60 Prozent der Hessen geimpft seien, halte er für sehr realistisch. Mit deutlich mehr Impfungen und Schnelltests würden weitere Lockerungen möglich. Bei Letzterem setzt Bouffier ganz auf die Selbsttests, von denen das Land knapp 15 Millionen Testkits für Schulen und Kitas gesichert habe.

Vom Bund wünsche er sich weniger Ankündigungen, deren praktische Umsetzung nicht bedacht sei oder die nur mit erheblicher Verzögerung umgesetzt würden. Auch die Auszahlung der Dezemberhilfe des Bundes erst im März sei keine Glanzleistung, bemängelte Bouffier.

Er mache anderen Vorwürfe, es sei nach einem Jahr Pandemie aber höchste Zeit, eigene Fehler zu bekennen, reagierte Oppositionsführerin Faeser in einer scharfen Replik. Der Landesregierung fehle eine echte Strategie zum Umgang mit der Pandemie. In den Pflegeeinrichtungen seien rund 3000 Menschen gestorben, vielleicht auch mangels überzeugender Teststrategie. Und die Schulen würden viel zu spät geöffnet, weil die schwarz-grüne Regierung ein rechtzeitiges Konzept für den Wechselunterricht immer abgelehnt habe, bemängelte die SPD-Fraktionschefin weiter.

Kritik von FDP, Linken und AfD

Ihr FDP-Kollege René Rock nahm die Überschrift von Bouffiers Regierungserklärung „Vorsicht, Vertrauen und Verantwortung“ aufs Korn und nannte stattdessen „Versäumnisse, Versagen und Vernichten“ treffender für die Bilanz der Landesregierung. Versäumnisse beim Testen, Versagen beim Schutz von Alten- und Pflegeheimen sowie Vernichten von Existenzen, konkretisierte er die Vorwürfe.

Janine Wissler von der Linken nannte die Lockerungen der letzten Wochen wegen der sich ausbreitenden Infektionen unverantwortlich. Und die Zeit des Lockdowns sei nicht für Vorbereitungen etwa bei der technischen Ausstattung von Schulen und Gesundheitsämtern genutzt worden.

AfD-Mann Volker Richter verlangte dagegen ganz im Gegenteil ein sofortiges Ende des Lockdowns.

Teststrategie

Die Bereitstellung der kostenfreien Corona-Tests für alle Bürger funktioniert in Hessen nach Angaben von Volker Bouffier recht ordentlich. Auf der Homepage des Sozialministeriums könne tagesgenau nach Postleitzahlen geschaut werden, welches Testzentrum es in der Nähe des jeweiligen Wohnorts gibt.

In den Schulen bei den Lehrern und Schülern sowie bei den Erzieherinnen in den Kitas sollen Selbsttests eingesetzt werden.

Die Finanzierung erfolgt aus den Mitteln des Sondervermögens.

Für Freizeitaktivitäten müssten die Bürger selbst für die Kosten aufkommen. lhe

Korrespondent

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