Stuttgart. Für den Normalverbraucher ist das kaum vorstellbar: ein Wohnmobil für 390 000 Euro. Im wachsenden Segment der Luxuscampingfahrzeuge werden sogar noch viel höhere Summen aufgerufen. Und so freute sich ein 59 Jahre alter Mann aus dem Breisgau wohl sogar über ein Schnäppchen, als er für die genannte Summe ein 16 Tonnen schweres Expeditionsfahrzeug bei einem Schweizer Verkäufer fand. Er schlug zu.
Doch ihm war klar, dass das Einführen des Luxuswohnmobils nach Deutschland nicht ganz billig werden dürfte. Das Stuttgarter Zollfahndungsamt gibt an, dass für dieses Fahrzeug aus dem Nicht-EU-Ausland 126 000 Euro Einfuhrabgaben fällig geworden wären. Da kann man schon mal erfinderisch werden und einige kriminelle Energie entwickeln. Und tatsächlich ersann der Mann einen Trick, um das Auto zoll- und steuerbefreit in seine Heimat zu bekommen.
Ehefrau des Verkäufers vermietet Wohnung an den Käufer
Dabei war ihm der Verkäufer sogar behilflich. Bei dessen Ehefrau mietete der 59-Jährige eine Wohnung und meldete seinen Lebensmittelpunkt in der Schweiz an. Wohnen blieb er aber in Deutschland.
Dazu muss man wissen, dass das europäische Zollrecht für den Fall eines Umzugs aus einem Drittland in einen EU-Mitgliedstaat unter bestimmten Voraussetzungen die Befreiung von Einfuhrabgaben für Übersiedlungsgut vorsieht – also Umzugsgegenstände wie Möbel oder Fahrzeuge. Derzeit spielt das besonders im Falle vieler geflüchteter Ukrainer eine Rolle. Der Wohnsitz im Ausland muss zuvor für mindestens zwölf Monate bestanden haben.
Nach einem Jahr beendete der 59-Jährige seinen Scheinaufenthalt und tat so, als ob er ins Breisgau zurückziehe. Er meldete das Wohnmobil beim Zoll als Übersiedlungsgut an. Doch Stuttgarter Zollfahnder hatten erhebliche Zweifel an der Geschichte. „Sie konnten nachweisen, dass der Mann sich nie länger in der Schweiz aufgehalten, geschweige denn dort seinen gewöhnlichen Lebensmittelpunkt eingenommen hatte“, sagt Maximilian Obermaier, Sprecher des Zollfahndungsamts Stuttgart. Sie leiteten ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ein.
Nun muss der Unternehmer nicht nur die 126 000 Euro Abgaben bezahlen, sondern zusätzlich eine Strafe in Höhe von 20 000 Euro. Der Verkäufer und seine Ehefrau in der Schweiz kommen dagegen wohl ohne Strafe davon. Ihnen könne man keine Beteiligung an der Steuerhinterziehung nachweisen, so Obermaier. Das Vermieten einer Wohnung sei schließlich nicht illegal.
Der Fall ist auch für die Fahnder ungewöhnlich – sowohl wegen der hohen Summe als auch wegen des großen Aufwandes, der vom Täter betrieben worden ist. Allerdings ist das Thema Fahrzeuge an der Grenze zwischen Deutschland und dem Nicht-EU-Mitglied Schweiz dauerpräsent. Thomas Seemann, Sprecher des Hauptzollamts Stuttgart, erklärt, warum das so ist: „Wenn man Fahrzeuge einführt, muss man das an der Grenze angeben.“ Es werden dann Einfuhr-Umsatzsteuer und Zoll fällig, zusammen etwa 30 Prozent. Einfach mit dem gekauften Auto nach Deutschland fahren, funktioniert normalerweise nicht, denn bei der Zulassung wird in solchen Fällen eine Zollbescheinigung verlangt.
Kaufpreis wird häufig durch gefälschte Rechnungen vertuscht
Also denken sich manche Käufer – meist haben sie sich teure oder besondere Fahrzeuge angeschafft – eine Methode aus wie der 59-Jährige aus dem Breisgau. Im Normalfall allerdings versuchen sie, bei der Einfuhr die Summe zu verschleiern, die sie tatsächlich bezahlt haben. „Da werden reine Fantasiebeträge genannt. Da steht dann der Mercedes-Flügeltürer, der auffällig günstig gewesen sein soll“, weiß Seemann. Wenn ein Verdacht aufkommt oder gar gefälschte Kaufverträge vorgelegt werden, wird ermittelt.
Wer erwischt wird, muss tief in die Tasche greifen. So wie der 59-Jährige, der unterm Strich deutlich schneller und günstiger zu seinem Expeditionsfahrzeug hätte kommen können. Wenn er denn ehrlich geblieben wäre.
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