Stuttgart. Erzieherinnen und Erzieher arbeiten in einem Hochrisikoberuf. Jedenfalls was eine Covid-19-Erkrankung angeht und deren Folgen. Jeder Zweite aus dieser Gruppe hat sich während der Coronapandemie mindestens einmal mit akutem Covid-19 bei der AOK Baden-Württemberg krankgemeldet. Das hat das wissenschaftliche Institut der Krankenkasse errechnet.
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Eine erhebliche Dunkelziffer dürfte durch die telefonische Krankschreibung hinzukommen, oder weil als Grund nicht Covid-19, sondern allgemein eine Atemwegserkrankung angegeben wurde. Bei den nachweislich coronabedingten Krankheitsfällen hat es keine Berufsgruppe stärker getroffen als die Erzieher. Über alle Erwerbstätigen gerechnet war zwischen 2020 und 2023 jeder dritte Arbeitnehmer mindestens einmal mit Covid-19 krankgeschrieben.
859 Krankmeldungen von Chefs
Der Datenreport der Krankenkasse, der dieser Redaktion vorliegt, ist eine Art Generalbilanz der Pandemie - jedenfalls mit Blick aufs Berufsleben. Er enthält die Daten von 1,3 Millionen durchgängig bei der AOK versicherten Erwerbstätigen in Baden-Württemberg (bundesweit: sieben Millionen) und entsprechend viele Millionen Krankheitsfälle und Krankheitstage - für Baden-Württemberg neben den knapp 21 000 Erziehern etwa Zehntausende Fälle aus dem ebenfalls sehr stark von der Pandemie getroffenen Gesundheitswesen. Daneben aber auch 859 Krankmeldungen aus der Gruppe „Geschäftsführer und Vorstände“. Sie haben sich mit am seltensten coronabedingt krankgemeldet: Nur etwa jeder fünfte bei der Südwest-AOK versicherte Chef ist deswegen ausgefallen.
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Nach dem offiziellen Ende der Pandemie im April vergangenen Jahres ist die Zahl der Krankmeldungen nur wenig zurückgegangen. Die Folgen für Unternehmen können schmerzhaft sein: „Grundsätzlich wiegen Ausfälle in gastgewerblichen Kleinbetrieben aufgrund der ohnehin meist dünnen Personaldecke besonders schwer“, sagt Daniel Ohl, der Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands Baden-Württemberg.
Leicht rückläufige Krankheitsfälle
Auch die Kliniken melden weiterhin Personalnotstand. Im Klinikum Stuttgart sind die Krankenstände bei Ärzten wie auch in der Pflege weiterhin höher als in den Vor-Corona-Jahren - aber niedriger als 2022, sagt der medizinische Vorstandsvorsitzende Jan Steffen Jürgensen. „Wenn aber höhere Krankenstände beim Personal mit höheren Behandlungsbedarfen zusammenkommen, kann es gelegentlich angespannt werden.“ Mark Dominik Alscher, medizinischer Geschäftsführer im Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus, meldet leicht rückläufige Krankheitsausfälle. Man habe verglichen mit den Jahren bis 2021 trotzdem einen „anhaltend hohen Krankenstand beim medizinischen Personal“.
Auch in diesem Bereich bleibt das nicht ohne Folgen: Die Krankenhäuser im Land konnten 2023 allein aufgrund des Personalmangels mindestens fünf Prozent weniger Betten belegen als vor der Pandemie. Das hat die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft unlängst in einer Umfrage herausgefunden. „Aktuell dürften die Zahlen aufgrund der überdurchschnittlichen Krankheitsquote noch höher liegen“, so Hauptgeschäftsführer Matthias Einwag. Sehr belastend sei, wenn Mitarbeitende wegen Long- oder Post-Covid viele Wochen ausfallen.
Verbreitung von Corona-Spätfolgen
Deutschlandweit wurde unter den AOK-Versicherten bei zwei von hundert Erwerbstätigen Long-Covid, Post-Covid oder eine chronische Ermüdung (CFS) diagnostiziert; in Baden-Württemberg ist der Wert mit 1,7 Prozent etwas geringer. Man sieht daran, wie verbreitet Corona-Spätfolgen mittlerweile sind. Die Zahlen seien trotz einiger Einschränkungen „die bestmögliche Quantifizierung der Spätfolgen von Covid-19-Infektionen in der erwerbstätigen Bevölkerung“, sagt der Geschäftsführer des AOK-Instituts, Helmut Schröder.
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Was das für die Betroffenen konkret bedeutet, hat sein Institut ebenfalls gezählt. 36,7 Krankheitstage fallen bei einem durchschnittlichen Long-Covid-Fall an. „Dies sind im Vergleich zu anderen Erkrankungen sehr lange berufliche Ausfallzeiten“, sagt Jochen Michl von der AOK. In vielen Fällen sei es „eine Herausforderung, den Betroffenen wieder den Weg in den betrieblichen Alltag zu ebnen“.
Südwesten gut durchgekommen
Der hohe Wert ist stark von Langzeitkranken geprägt, die unter Long-Covid-Patienten ein Fünftel ausmachen. Das ist die eine Folge der neuen Krankheit. Die andere: Eine Mehrheit der Patienten mit Corona-Spätfolgen fällt höchstens drei Wochen aus, ein knappes Fünftel nur ein bis drei Tage. Das deutet auch auf Unsicherheiten bei der Diagnose hin.
Die baden-württembergischen Arbeitnehmer sind insgesamt aber vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. Die AOK zählte 2023 im Südwesten einen niedrigeren Krankenstand als im Rest der Republik. Bundesweit fielen 6,6 Prozent aller Arbeitstage krankheitsbedingt aus, in Baden-Württemberg 5,9 Prozent - das ist mit Bayern, Berlin und Hamburg mit der beste Wert. Die Werte im Südwesten lagen schon vor der Pandemie unter denen im Bund, während der Pandemie ist die Schere weiter aufgegangen.
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