Koalitionsgespräche - Nach der ersten Sondierungsrunde vereinbaren die Parteien Stillschweigen

Werben um die Braut: Alle setzen auf Grün

Von 
Michael Schwarz
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Kann sich den zukünftigen Regierungspartner aussuchen: Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, am Mittwoch bei der ersten Fraktionssitzung von Bündnis 90/Die Grünen im Stuttgarter Landtag. © dpa

Stuttgart. Das Haus der Architekten in Stuttgart ist nicht nur als Gebäude, sondern auch wegen seiner Halbhöhenlage sehenswert. Südöstlich der Innenstadt gelegen, hat man vom Park aus einen herrlichen Ausblick auf den Stuttgarter Kessel. Kürzlich ist das Gebäude sogar Drehort eines SWR-Tatorts gewesen. Für politische Spannung sorgt am Mittwoch die erste Runde der Sondierungsgespräche nach der Landtagswahl – eben im Haus der Architekten.

Die Grünen sind die Gastgeber – oder besser gesagt die umworbene Braut. Und die lässt ein Verehrer nach dem anderen vorsprechen, um in dem Bild zu bleiben. Und das sind um 10.30 Uhr die CDU, um 14 Uhr die SPD und um 16 Uhr schließlich noch die FDP. Doch nach den Sitzungen ist vor allem das große Schweigen angesagt. So verlässt die CDU-Verhandlungsgruppe um Landeschef Thomas Strobl, der am Mittwoch seinen 61. Geburtstag feiert, Fraktionschef Wolfgang Reinhart, General Manuel Hagel sowie Fraktionsvize Nicole Razavi und die Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle nach dem anderthalbstündigen Gespräch das Gebäude wortlos.

Sie hatten zuvor mit den Grünen strenges Stillschweigen vereinbart – und halten sich daran. Unter Journalisten kursieren trotzdem die Gerüchte, die CDU sei in dem Gespräch sehr zugewandt gewesen. Strobl gilt als Vertrauter Kretschmanns. Er will die CDU unbedingt in die nächste Koalition als Juniorpartner der Grünen führen – und das Zustandekommen einer Ampelkoalition verhindern. SPD und FDP sehen das natürlich ganz anders. Ihr Ziel ist es, eine Ampelkoalition mit den Grünen zu bilden. Nach dem Gespräch gibt sich die SPD ebenfalls wortkarg. Auch ihr Verhandlungsführer, Landeschef Andreas Stoch, kommentiert das Sondierungsgespräch nicht. „Wenn wir bei den Gesprächen vereinbart haben, zu einem so frühen Zeitpunkt noch nichts mitzuteilen, dann kann man sich darauf auch verlassen“, sagt er lediglich.

Kontroverse Themen

Die FDP ist die einzige Partei, die sich ausführlicher äußert. „Alles ist offen, alles kann angesprochen werden“, bleibt Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke vor dem Gespräch im Allgemeinen. Und danach teilt er mit, dass es keine unüberbrückbaren Differenzen gegeben habe. Es hätten sich weder thematisch noch atmosphärisch Probleme aufgetan. Zudem erklärt er, er habe nicht die Sorge, dass die Freien Demokraten in einer Ampelkoalition quasi als Stützrad von Grün-Rot enden würden.

Rudi Hoogvliet, Sprecher von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), hatte im Vorfeld der Sondierungen gesagt, dass man sich erst einmal „ordentlich abtasten“ wolle. „In Corona-Zeiten sollte man sich aber nicht zu nahe kommen“, erwidert FDP-Landeschef Michael Theurer augenzwinkernd. Mehr ist am Mittwoch nicht zu hören. Daher kann nur spekuliert werden, was in den drei Sondierungsrunden besprochen worden sein könnte.

Für die Grünen ist der Klimaschutz eines der wichtigsten Verhandlungsthemen. So wollen sie eine generelle Solarpflicht für alle neuen Wohngebäude. Die CDU lehnt diese ab – und hatte das Vorhaben in der vergangenen Legislaturperiode daher auch blockiert. Da die FDP die Solarpflicht auf neue Wohngebäude ebenfalls nicht will, dürfte dies auch in einer Ampelkoalition für kontroverse Diskussionen sorgen. Die FDP wiederum will den Verbrennungsmotor zwar umweltfreundlicher machen, ihn aber generell erhalten. Die Grünen setzen hingegen vor allem auf Elektroautos.

Auch in der Bildungspolitik wären in einer Ampelkoalition Kontroversen unumgänglich. Die FDP setzt auf ein mehrgliedriges Schulsystem, die SPD will ein Zwei-Säulen-Modell bestehend aus der Gemeinschaftsschule und integrierten Schulformen. Zudem wollen die Sozialdemokraten weiterhin die Kita-Gebühren vollständig abschaffen, was die FDP, aber auch die Grünen für zu teuer halten. Die Liste der umstrittenen Themen könnte noch fortgesetzt werden. All diese Themen werden sicher in der Fortsetzung der Sondierungsgespräche in der kommenden Woche eine große Rolle spielen.

Zeitplan

Der neue Landtag von Baden-Württemberg soll erstmals am 11. Mai zusammentreten.

Einen Tag später, am 12. Mai, soll der 72-jährige Winfried Kretschmann zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt werden.

Die Grünen hatten die Landtagswahl am Sonntag mit 32,6 Prozent gewonnen. Die CDU stürzte auf 24,1 Prozent ab. Die SPD kam auf genau elf, die FDP auf 10,5 und die AfD auf 9,7 Prozent. mis

Korrespondent

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