Migration

Versprechungen und Symbolik bei „Flüchtlingsgipfel“

Land und Kommunen sagen in Stuttgart Geschlossenheit in der der Flüchtlingsfrage zu - wichtige Absprachen etwa über das Finanzielle hatte es bereits vorab gegeben

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Martin Oversohl
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Politiker und Vertreter von Kommunen und Verbänden sitzen beim „Flüchtlingsgipfel“, um Lösungen im Umgang mit Geflüchteten zu finden. © Bernd Weißbrod/dpa

Stuttgart. Das große Rad dreht sich dieser Tage vor allem auf dem Platz vor dem Neuen Schloss. Im Stuttgarter Prunkbau hinter dem Riesenrad schien beim „Flüchtlingsgipfel“ am Mittwoch vor allem die Symbolik wichtig. Unter dem Druck steigender Flüchtlingszahlen demonstrierten Land und Kommunen sowie die wichtigsten Verbände nach ihrem mehrstündigen Treffen Geschlossenheit und verständigten sich auf einen Schulterschluss. Weitreichende Ergebnisse über weiter Kapazitäten in den Städten und Gemeinden, über neue Angebote in Kitas und Schulen oder zusätzliche finanzielle Mittel vereinbarten die rund 40 Teilnehmer nicht. Das war auch im Vorfeld nicht erwartet worden.

Die Kraftanstrengung bei der Flüchtlingsfrage sei „in einer großen Verantwortungsgemeinschaft entschlossen angenommen“ worden, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach dem „Gipfel“. Das Land lasse die Kommunen nicht im Regen stehen. Ähnlich liest es sich in einer Erklärung zum Treffen, in der die Teilnehmer betonen, die Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten sei „eine enorme gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung“.

Aus Sicht des Präsidenten und Hauptgeschäftsführers des Gemeindetags Baden-Württemberg, Steffen Jäger, sind die Kommunen, das Land und die Verbände einig gewesen, dass „mutmaßlich auch Entscheidungen zu treffen sein werden, die unser aller Lebenswelt tangieren“. Die Zahl der Notunterkünfte nehme zu, der Bedarf an Kita-Plätzen und schulischer Bildung werde steigen. „Das wird mit Erschwernissen und gegebenenfalls auch mit gefühlten Ungerechtigkeiten verbunden sein“, sagte Jäger. „Und wir müssen deutlich machen, dass sich Zielerfüllungen am Machbaren orientieren müssen und nicht an Wünschenswertem. Das Machbare gerät an seine Grenzen.“ Auf vielen Feldern müssten Standards flexibler werden.

Aufnahmekapazität erschöpft

Vor allem die Kommunen hatten immer wieder gewarnt, die Aufnahmekapazitäten des Landes, der Städte und Gemeinden seien weitgehend erschöpft – und eine Abnahme der Flüchtlingszahlen nicht in Sicht. Nach Angaben des Migrationsministeriums sind rund 170 000 Geflüchtete und Migranten im Südwesten angekommen, 142 000 von ihnen aus der Ukraine. Die Zahl der Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes ist seit den ersten Schüssen an der russisch-ukrainischen Grenze Ende Februar von rund 6000 auf derzeit mehr als 13 500 ausgebaut worden. In der vorläufigen Unterbringung finden derzeit rund 55 000 Menschen Platz.

Auch Migrations- und Justizministerin Marion Gentges (CDU) rechnet mit weiteren Menschen aus der Ukraine: „Die Infrastruktur in der Ukraine wird systematisch niedergebombt, so dass wir für den Fall vorbereitet sein müssen, dass noch einmal mehr Menschen fliehen müssen.“ Landesgebäude und -flächen könnten mietzinsfrei von den Kommunen und Kreisen genutzt werden, um Flüchtlinge unterzubringen. Bereits vor zwei Wochen hatten sich Land und Kommunen über die Verteilung der Kosten für Geflüchtete geeinigt.

Enttäuscht vom Treffen zeigte sich FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. „Ich hätte mir mehr konkrete Ergebnisse gewünscht“, sagte er. Natürlich sei es richtig, ein Signal des Zusammenhalts zu setzen. „Aber schwammige Absichtserklärungen führen uns nicht aus der Krise.“ Dagegen sprach CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel von einem ersten richtigen Schritt. „Es darf nicht der letzte bleiben.“ 

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