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Mannheim. Wenn Politiker über Kolleginnen oder Kollegen reden, ist natürlich immer Vorsicht geboten. Bei SPD-Fraktionschef Andreas Stoch kommt hinzu, dass die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) nicht nur einer anderen Partei angehört, sondern auch ausgerechnet jenes Ressort führt, das Stoch von 2013 bis 2016 selbst leitete. Dass es keine tröstenden Worte für Schopper beim Redaktionsbesuch des Oppositionsführers gibt, kommt auch aus einem anderen Grund nicht überraschend. Die Kultusministerin bietet gegenwärtig eine zu große Angriffsfläche, wie der Shit-storm belegt, den sie gerade erlebt. Schopper hat ihren Gegnern eine Steilvorlage geliefert, weil sie sich in der Debatte um das Modellprojekt „Grundschule ohne Noten“ im Ton vergriffen hat.
„Burschikose Sprüche“
Stoch ärgert sich darüber, dass Schopper behauptete, Lehrer würden schlechte Schüler im Unterricht als „Trottel vor dem Herrn“ herunterputzen. „Frau Schopper fällt leider immer wieder mit burschikosen Sprüchen auf und zieht damit die Aufmerksamkeit weg vom eigentlichen Thema. Sie hat ja auch schon behauptet, Taschentücher im Schulunterricht würden gegen Corona helfen. Ihre Masche, mit plumpen Aussagen bildungspolitische Komplexität zu erfassen, misslingt ihr.“
Weil sich jetzt alle über Schoppers Sprüche aufregen, kommt nach Stochs Einschätzung die Debatte über den Modellversuch viel zu kurz. Denn in der Sache steht er hinter der Kultusministerin. „Man kann schon hinterfragen, ob Ziffernoten der Weisheit allerletzter Schluss sind oder ob es zur besseren Beurteilung der Leistung oder der Entwicklung nicht andere Methoden gibt“, sagt er. „Das heißt im Umkehrschluss natürlich nicht, dass Schüler wie Trottel behandelt werden, wenn es Ziffernoten gibt. Schoppers plumpe Ausdrucksweise provoziert an Stellen, wo es nicht notwendig ist.“
Mehr Entlastung nötig
Der Schwabe bezieht sich auf die Bildungswissenschaft, die Ziffernnoten kritisch sieht. „Das hat nichts mit Kuschelpädagogik zu tun“, sagt er. Aber: „Wer Schülerinnen und Schüler motivieren will, sollte sich schon überlegen, ob das mit schlechten Noten funktionieren kann, die vom Gehirn laut Aussage der Medizinwissenschaft aufgenommen werden wie eine körperliche Züchtigung.“
Während in den Sommerferien die Debatte über die Bildungspolitik an Wucht verlieren dürfte, könnte die Diskussion über das 9-Euro-Ticket an Kraft gewinnen, weil es in der Urlaubszeit besonders reizvoll ist. „Die Einführung des Tickets war richtig, ich finde, dass es nicht einfach auslaufen sollte“, sagt Stoch. Er hat sich auch Gedanken über die Finanzierung gemacht. „Bund und Länder sollten sich die Kosten teilen. Klar ist aber, dass ein neues Ticket mehr kosten muss, die SPD hat sich schon in der Vergangenheit für ein 365-Euro-Ticket stark gemacht. Warum also nicht 29 Euro im Monat?“
Ob es wieder ein bundesweit gültiges Ticket sein sollte – darüber denkt Stoch noch nach. „Ursprünglich war das gar nicht so gedacht. Die Menschen haben sich jetzt allerdings darauf eingestellt, dass sie kreuz und quer durch die Republik fahren können. Auch mein Wahlkreis Heidenheim liegt an der bayerischen Landesgrenze, dieses Problem gibt es tatsächlich.“
Dass das 9-Euro-Ticket als ein Teil des Entlastungspakets den Menschen geholfen hat, die gestiegenen Inflationskosten besser schultern zu können, ist für den 52-Jährigen ausgemacht. Weitere Pakete sollen ja noch geschnürt werden. Er betont aber, dass das nicht immer nur der Bund übernehmen soll: „Baden-Württemberg ist beim Thema Wohnen das teuerste Bundesland, dort sind die Mieten besonders hoch, deshalb trifft es die Menschen umso härter, wenn die Nebenkosten so drastisch steigen. Der beschlossene Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher reicht nicht aus. Wir müssen wachsam sein, nicht nur dieser Personenkreis könnte in eine Schieflage geraten“, sagt Stoch und fordert ein Energiegeld für alle Haushalte, die die gestiegenen Kosten nicht aus eigenen Mitteln bewältigen können. „Ich denke da an eine Einmalzahlung von rund 440 Euro.“ Dass Energieversorger wie die Mannheimer MVV einen Nothilfefonds für Menschen eingerichtet haben, die ihre Strom- oder Gasrechnung nicht bezahlen können, findet Stoch richtig, „jetzt muss aber die Solidargemeinschaft miteinbezogen werden“.
Schröder soll selbst gehen
Recht einsilbig wird Stoch dagegen bei der Frage nach der Zukunft von Gerhard Schröder in der SPD. „Wir haben Wichtigeres zu diskutieren“, sagt er, räumt dann aber doch ein, „dass die Entscheidung der Schiedskommission juristisch nachvollziehbar ist“. Es gehe bei einem Parteiausschluss eben nicht darum, ob eine Mitgliedschaft politisch opportun sei „oder ob einem Parteivorsitzenden die Nase eines Gerhard Schröder gefällt“. Das Parteienrecht setze da enge Grenzen, sagt der Jurist. „Ich hatte von Anfang an juristische Zweifel, ob es gelingt, Gerhard Schröder zu zwingen, die Partei zu verlassen. Ich habe aber klar gesagt, dass Schröders Tun meinen sozialdemokratischen Werten widerspricht. Deshalb hielte ich es für angemessen, wenn er die Partei selbst verlassen würde.“
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