Frankfurter OB-Wahl

Spannung vor der Wahl von Feldmanns Nachfolger

Am Sonntag entscheiden die Frankfurter über den neuen Oberbürgermeister oder die neue Oberbürgermeisterin - ernsthafte Chancen haben nur drei Kandidaten

Von 
Gerhard Kneier
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Wer wird OB von Frankfurt? Mike Josef (SPD, v.l.), Uwe Becker (CDU), Maja Wolff (unabhängig) oder Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) © Arne Dedert/dpa

Frankfurt. Ein einst als Kind syrischer Flüchtlinge nach Deutschland gekommener Stadtrat, eine für ihre Ambitionen am Main aus der Bundesregierung ausgeschiedene Abgeordnete oder ein Exbürgermeister und hessischer Antisemitismusbeauftragter - einer oder eine von ihnen wird voraussichtlich bald Oberbürgermeister der Bankenstadt Frankfurt. Vier Monate nach der Abwahl von OB Peter Feldmann in einem Bürgerentscheid steht am Sonntag die Wahl an. Hatten sich die Parteien in Hessens größter Stadt bei der Kampagne gegen den der Vorteilsnahme angeklagten bisherigen Amtsinhaber noch ungewohnt einig gezeigt, kämpft bei der Neuwahl wieder jede für sich selbst und gegen die anderen.

Von den insgesamt 20 Kandidaten für den Chefsessel im Frankfurter Römer wird allerdings nur den Bewerbern von Grünen, CDU und SPD eine ernsthafte Chance für die erwartete Stichwahl am 26. März eingeräumt. Das sind die Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann von den Grünen als stärkster Partei im Rathaus, der ehemalige Bürgermeister und jetzige CDU-Staatssekretär im hessischen Europaministerium, Uwe Becker, sowie der Stadtplanungsdezernent Mike Josef von der SPD. Wer auch immer von ihnen gewinnt, soll vor allem wieder Ruhe und Stabilität, aber auch einen neuen Aufbruch an der Spitze der 750 000 Einwohner zählenden Stadt bringen.

All das wurde im Tauziehen um Feldmann schmerzlich vermisst, der über seine Verwicklung in die Affäre um die Arbeiterwohlfahrt stolperte. Mit 95,1 Prozent der Stimmen wurde der Sozialdemokrat schließlich am 6. November vergangenen Jahres abgewählt und im Dezember zu einer Geldstrafe wegen Vorteilnahme verurteilt. Gegen das Urteil hat er Revision beantragt. Zudem ist er kürzlich aus der SPD ausgetreten.

Die Gemeinsamkeit ist vorbei

„Für ein Kreuz vergessen wir mal alle Farben“, plakatierten vor der Abwahl Feldmanns unisono die Frankfurter Koalitionsparteien Grüne, SPD, FDP und Volt wie auch die CDU-Opposition als Werbung für Stimmen gegen den Oberbürgermeister. Doch mit dieser Gemeinsamkeit ist es längst wieder vorbei. CDU-Kandidat Becker brachte sich schon am Abend der Abwahl Feldmanns als erster Kandidat für dessen Nachfolge in Stellung. Der heute 53-Jährige war selbst 2021 von der neuen Stadtkoalition als (zweiter) Bürgermeister und Stadtkämmerer abgewählt worden. Gleichwohl verteidigte er noch am selben Tag die neue grüne Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg gegen heftige Angriffe der AfD.

Im Angriffsmodus

Becker wurde später zum Staatssekretär im Wiesbadener Bundesrats- und Europaministerium berufen und behielt auch sein Amt als Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung. Die Funktion als CDU-Kreisvorsitzender legte der gelernte Bankkaufmann mit Blick auf seine OB-Kandidatur nieder. Doch gegen Grüne und SPD ist er im Angriffsmodus und wirft ihnen etwa die Zustände im Frankfurter Bahnhofsviertel oder eine in seinen Augen autofeindliche Politik vor. Indirekt hat er damit gedroht, als direkt gewählter OB ohne Mehrheit im Stadtparlament von seinem Recht auf Dezernatsverteilung Gebrauch zu machen und den Grünen das Verkehrsressort zu entziehen.

Deren OB-Kandidatin Rottmann hofft, mit einer stark auf Kampf gegen den Klimawandel setzenden Kampagne, den Grünen erstmals die Position des Stadtoberhaupts zu sichern. Die 50-jährige Fränkin mit dem rollenden „r“ war bis 2012 sechs Jahre lang Frankfurter Umweltdezernentin, zog aber später für die bayerischen Grünen in den Bundestag ein und wurde 2021 Parlamentarische Staatssekretärin im Agrarministerium. Als solche trat sie wegen der Kandidatur in Frankfurt zurück. Ressortchef Cem Özdemir unterstützte sie ebenso wie Joschka Fischer, Robert Habeck und Tarek Al-Wazir. Wenn sie gewinnt, stellen die Grünen in Frankfurt sowohl OB als auch Bürgermeisterin und Stadtverordnetenvorsteherin.

Der 40 Jahre alte Mike Josef war mit seiner christlichen Familie als Vierjähriger als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland gekommen. Auch er hat sein Amt als Frankfurter SPD-Chef wegen der OB-Kandidatur abgegeben. Josef ist so ganz anders als sein Ex-Parteifreund Feldmann, von dem er sich vor der Abwahl lossagte. Der SPD-Kandidat gilt als uneitel und umgänglich. Dass auch er bei jeder Gelegenheit die Amtskette des OB anlegen würde, kann man sich kaum vorstellen. Als Planungs- und Sportdezernent wird Josef über die Parteigrenzen hinaus geschätzt und kann nur hoffen, dass der Fall Feldmann nicht doch noch dessen ehemaliger Partei zur Last gelegt wird.

Korrespondent

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