Bildung - SPD-Politiker Fulst-Blei attackiert Kultusministerin

„Schopper versagt in ihrem Kerngeschäft“

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Walter Serif
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Der Mannheimer Stefan Fulst-Blei ist SPD-Fraktionsvize im Landtag. © dpa

Mannheim. SPD-Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei warnt vor einem dramatischen Ausfall von Lehrkräften im Februar an den Schulen in Baden-Württemberg.

Herr Fulst-Blei, Montag geht im Südwesten die Schule wieder los. Haben Sie da Bauchschmerzen mit Blick auf die Kinder?

Fulst-Blei: Auch wenn meine zwei Kinder schon studieren, mache ich mir als Bildungspolitiker und ehemaliger Lehrer natürlich große Sorgen mit Blick auf Omikron.

Grünen-Kultusministerin Theresa Schopper hält trotzdem am Präsenzunterricht fest. Sie auch?

Fulst-Blei: Wir wissen aus den schlimmen Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre, dass kein digitales Lernen den Unterricht in den Klassen ersetzen kann. Erst recht in Baden-Württemberg, hier sind wir bei der Digitalisierung zum Teil noch in der Steinzeit. Stichwort fehlende Lernplattform. Klar ist aber auch: Wir können nicht wieder die Schulen wochenlang dichtmachen. Fachlich wie bezüglich der sozialen Folgen für die Schülerinnen und Schüler gibt es keine echte Alternative zum Präsenzunterricht. Umso schlimmer, dass die Landesregierung die Auswirkungen der Pandemie auf die Schulen völlig verschlafen hat. Da ist es wie beim Film „Täglich grüßt das Murmeltier“. Ich wache auf und frage mich fassungslos, warum ist das noch immer so?

Stefan Fulst-Blei

  • Stefan Fulst-Blei wurde am 7. Juni 1968 in Mannheim geboren.
  • Der gelernte Lehrer sitzt seit 2011 für die SPD im Landtag. Ein Jahr später wurde er bildungspolitischer Sprecher, seit 2016 ist er auch SPD-Fraktionsvize. Fulst-Blei engagiert sich in den zwei Ausschüssen Bildung sowie Wirtschaft, Arbeit und Wohnen.
  • 2020 wurde er in die Programmkommission der SPD berufen. was

Klingt mir zu pauschal.

Fulst-Blei: Wir haben die Landesregierung schon im Juni 2020 aufgefordert, schnell und flexibel zu reagieren. Gerade mit Blick auf den Wechselunterricht, wofür es weitere Räumlichkeiten bräuchte. Oder bei den Luftfiltern. Auch da hat die SPD Dampf gemacht, aber die Anlagen sind nach mehr als einem Jahr an kaum einer Schule verfügbar. Aktuell fordert das Land die Schulen auf, in Kohorten zu unterrichten. Aber gerade dafür braucht es natürlich die Räumlichkeiten und zusätzliche Lehrer. Besonders krass ist es auch, dass erst ab Montag den Schulen FFP2-Masken zugeteilt werden, obwohl wir aus Studien schon länger wissen, dass diese besonders wirksam sind.

Ein Großteil Ihrer Kritik bezieht sich auf die Amtszeit von Susanne Eisenmann. Macht deren Nachfolgerin ihren Job nicht besser?

Fulst-Blei: Nein, Frau Schopper bekommt den meisten Applaus im Parlament, wenn sie sich über Querdenker beschwert, aber in ihrem Kerngeschäft hat sie versagt. Der Unterrichtsausfall in Baden-Württemberg hat in bestimmten Landesteilen inzwischen wirklich dramatische Ausmaße angenommen. Das ist mein Hauptvorwurf gegen sie.

Können Sie das bitte mit ein paar Fakten belegen?

Fulst-Blei: Gerne. Wir haben in Göppingen ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum, dort muss pro Woche ein kompletter Tag ausfallen, weil Lehrer fehlen. Ich bekomme ähnliche Warnmeldungen von Lehrkräften aus anderen Schularten. In Baden-Württemberg kann nach Einschätzung von GEW-Chefin Monika Stein aktuell der Bildungsanspruch für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedaf nicht mehr gewährleistet werden. Das ist eine Schande für ein so reiches Land.

Liegt das nicht daran, dass es wegen des Fachkräftemangels prinzipiell zu wenige Lehrer gibt?

Fulst-Blei: Nein. Die Unterrichtsversorgung ist schon von der Planung her auf Kante genäht. Die Landesregierung hat aber unsere Forderung abgelehnt, mehr Stellen zu besetzen. Auch mehr Mittel für die Schulpsychologie wurden abgelehnt. Dabei gibt es allein 2000 arbeitslose Gymnasiallehrkräfte. Selbst Ministerin Schopper wollte nachbessern und beantragte 105 zusätzliche Lehrerstellen. Die grün-schwarzen Finanzpolitiker haben ihr nicht einmal die Hälfte der Stellen bewilligt. Offensichtlich interessiert sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann inzwischen mehr für die schwarze Null im Haushalt als für das Grundrecht auf Bildung. Diese Landesregierung akzeptiert lieber ein emotionales und pädagogisches Long-Covid, obwohl sie laut Steuerschätzung mit Mehreinnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro rechnen kann. Wir haben das Geld. Dieses Versagen wird sich rächen, da es im Februar flächendeckend zu einem enormen Lehrkräfteausfall kommen kann. Wegen Omikron und der saisonal üblichen Erkältungswelle, die im Februar traditionell um sich greift.

Wäre es dann nicht nötig, die Quarantänezeit auch für Lehrerinnen und Lehrer zu verkürzen, wenn sie sich mit Omikron infizieren, aber keine Symptome aufweisen?

Fulst-Blei: Da wäre ich sehr vorsichtig. Der Umgang mit der Quarantäne muss sehr sorgsam abgewogen werden, und natürlich bedarf es dazu einer bundeseinheitlichen Regelung.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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