Wiesbaden. Am Freitag will die hessische SPD die Katze aus dem Sack lassen: Bei einem Treffen führender Politiker der Landespartei im osthessischen Friedewald will die Partei verkünden, ob Bundesinnenministerin Nancy Faeser als Spitzenkandidatin in die Landtagswahl am 8. Oktober geht und damit nach nur gut einem Jahr im Bundeskabinett von Olaf Scholz (SPD) um ein ganz anderes Amt kämpft. Als Anwärterin für den Posten des hessischen Ministerpräsidenten in Wiesbaden stünde sie dann in einem spannenden Dreikampf mit dem amtierenden Regierungschef Boris Rhein (CDU) und dessen Stellvertreter Tarek Al-Wazir von den Grünen.
Lange sah es so aus, als wäre die Benennung der 52-Jährigen in Friedewald nur noch Formsache. „Mein Herz ist in Hessen“, rief Faeser schon im Mai vergangenen Jahres in einer kämpferischen Rede vor dem Landesparteitag der SPD in Marburg aus, die allgemein als indirekte Bewerbung um den Chefsessel in der hessischen Staatskanzlei gewertet wurde. Bei ihrer Wiederwahl als Landesvorsitzende der Sozialdemokraten erhielt Faeser dort ein Spitzenergebnis von 94 Prozent Zustimmung, und es gab keinerlei Dementi zu Schlagzeilen wie „Nancy Faeser greift nach der Spitzenkandidatur“. Weit und breit war auch keine Alternative für das Rennen gegen Rhein und Al-Wazir zu sehen.
Zu ihrem Nachfolger als Fraktionschef und Oppositionsführer im Landtag war bei Faesers Wechsel ins Bundeskabinett ihr Vertrauter Günter Rudolph gewählt worden, der mit seinen jetzt 66 Jahren eher als Platzhalter galt und dem keinerlei Ambitionen auf das Amt des Ministerpräsidenten nachgesagt werden.
Würde Scholz sie ziehen lassen?
Doch nach dem Rücktritt der ebenfalls aus Hessen stammenden Christine Lambrecht als Verteidigungsministerin und der Benennung des erfahrenen niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius zu deren Nachfolger mehrten sich in jüngster Zeit wieder Zweifel, ob Bundeskanzler Scholz mit Faeser eine weitere und in dem Fall auch als erfolgreich geltende Kabinettskollegin ziehen lassen würde.
Mit dem Offenbacher SPD-Oberbürgermeister Felix Schwenke wurde sogar schon ein neuer Name für die Spitzenkandidatur in Hessen für den Fall ins Spiel gebracht, dass die Bundesinnenministerin doch absagen sollte. Allerdings gilt ein Rücktritt Faesers in Berlin schon zur Bekanntgabe ihrer Kandidatur in Hessen keinesfalls als zwingend. Zwar würden andernfalls ihre Gegner gewiss die Frage stellen, ob sozusagen eine halbe Innenministerin im Bund und Wahlkämpferin in Hessen den Aufgaben gerecht werden könnte. Doch wichtiger wäre wohl eher, wie sich Faeser für die Zeit nach der Landtagswahl festlegt.
Hielte sie sich die Möglichkeit offen, im Fall einer Wahlniederlage doch in Berlin zu bleiben, drohten Vergleiche mit dem damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), der einst als Kandidat für das Amt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten scheiterte und danach auch noch seinen Posten im Bundeskabinett verlor. Dem wird allerdings der Fall des CDU-Politikers Manfred Kanther entgegengehalten, der 1995 als Spitzenkandidat in Hessen ebenfalls eine Niederlage erlitt und dennoch weitere drei Jahre Bundesinnenminister blieb. Wenn sie am Freitag benannt wird, könnte Faeser der Frage nach ihrer Zukunft im Berliner Kabinett also kaum ausweichen.
Kandidatin mit Rückfahrkarte
Die Antwort darauf gilt als kaum weniger spannend als die, ob sie nun antritt oder nicht. Nur mit ihr an der Spitze hätte die hessische SPD wohl eine Chance gegen Rhein und Al-Wazir. Doch auch das wäre alles andere als ein Selbstläufer. Und dass Faeser, wenn es bei der Landtagswahl doch nicht klappen sollte, wieder auf ihren alten Posten als Oppositionsführerin im Landtag zurückkehrt, kann sich in Wiesbaden kaum jemand vorstellen.
So gilt es doch als wahrscheinlicher, dass die SPD den Vorwurf einer Spitzenkandidatin mit Rückfahrkarte in Kauf nehmen könnte, als mit einem Verzicht Faesers den Eindruck zu erwecken, sie habe die Landtagswahl schon aufgegeben.
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