Stuttgart. Die Resolution, die einige evangelische Pfarrer in Württemberg gerade auf den Weg gebracht haben, lässt an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig: „Waffenlieferungen befeuern und verlängern einen grausamen Krieg... Die Botschaft Jesu ist nicht mit einer Politik der Aufrüstung in Einklang zu bringen“, heißt es in dem zweiseitigen Papier. Auch der von Bundeskanzler Olaf Scholz genutzte Begriff der „Zeitenwende“ wird als „irreführend“ ebenso abgelehnt wie das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr. Von Hochrüstung profitiere vor allem die Rüstungsindustrie, betont der Text. Zu den Autoren gehört der Nürtinger Pfarrer Paul Bosler. „Wir hatten den Eindruck, dass die Debatte über die Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Angriff von Putin zu verengt geführt wird – sowohl in den Medien als auch in der Kirche“, sagt Bosler und begründet so die Initiative.
Bosler (59) hat mit seinen Mitstreitern die Resolution erst an bekannte Geistliche verschickt. Rund 50 Erstunterzeichner kamen so zusammen. Mittlerweile zieht das Schriftstück in der Kirche seine Kreise. Etwa 200 Personen hätten sich bereits angeschlossen, berichtet der Pfarrer, der schon vor 40 Jahren gegen die Lagerung von Atomwaffen in seiner Heimat nahe Engstingen (Kreis Reutlingen) demonstriert hat.
Natürlich lässt er keinen Zweifel daran, dass der Westen der Ukraine helfen muss. Doch er wie andere Unterzeichner sind überzeugt, dass Waffenlieferungen das Leiden verlängern, die Schäden vergrößern und dass die Logik des Krieges zu durchbrechen ist. Von der pazifistischen Auslegung der Bibel sei in der Kirche momentan zu wenig zu hören: „Jesus hat nicht gepredigt: Auge um Auge, Zahn um Zahn“, so Bosler.
Allerdings gibt es innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) durchaus unterschiedliche Positionen. Neben anderen hat die EKD-Ratsvorsitzende und westfälische Präses Annette Kurschus Waffenlieferungen gebilligt, damit sich die Ukraine verteidigen kann. Dagegen lehnt der Friedensbeauftragte der EKD Friedrich Kramer Waffenlieferungen ab. Ähnlich äußerte sich zum Beispiel die frühere Ratsvorsitzende der EKD Margot Käßmann.
Der württembergische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl wiederum hat die Waffenlieferungen verteidigt. Er hat aber gleichzeitig seinen Respekt vor anderen Auffassungen betont, angesichts einer Situation, in der niemand mit Sicherheit sagen könne, was das Richtige ist.
Jedenfalls haben die Initiatoren der Resolution viele positive Reaktionen bekommen. Auch ihr Ziel, eine Debatte in der Kirche anzufachen, haben sie offensichtlich erreicht. Es gebe ganz viele Anfragen von Pfarrern aus anderen Bezirken, bei deren regelmäßigen Treffen zu berichten, erzählt Bosler. Momentan sei das alles freilich kaum zu schaffen.
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